Der stumme Ruf der Nacht
keine Ahnung, was du vorhast. Ich weiß nur, dass ich dir nicht traue. Und ans Steuer meines Autos lasse ich dich bestimmt nicht.«
»Idiot«, murmelte sie und schwieg schmollend.
Die Minuten vergingen. Und addierten sich zu Stunden. Die Berge wichen Hügeln, und irgendwann waren sie in der Wüste, die sich in alle Richtungen ausdehnte. Eine ungeheuere weite Ebene, in der hier und da einzelne Lichtpunkte schimmerten. Immer noch flogen die gelben Markierungen vorbei, und Wills Lider wurden schwer. Um wach zu bleiben, sagte er leise Baseball-Statistiken auf. Auf einmal brummten die Reifen laut. Er war auf den Randstreifen gekommen. Will riss das Steuer nach links. Verflucht.
»Warum erschießt du uns nicht einfach? Das wäre schneller.«
»Entschuldige.«
»Wann hast du überhaupt zum letzten Mal geschlafen?«
Ohne Antwort richtete er den Blick wieder auf die Fahrbahn.
»Es ist fast ein Uhr. Lass uns irgendwo übernachten.«
Er warf ihr einen wütenden Blick zu.
»Was denn? Schau, da vorne ist ein Motel. Ich habe vorher schon ein Schild gesehen. Wenn wir ein paar Stunden geschlafen haben, können wir ja weiterfahren.«
Es war vermutlich der schlechteste Plan, von dem er je gehört hatte. Bis auf den Teil mit dem Schlaf. Der war wirklich gut. Das Problem war nur, dass sie keinerlei
Absichten hatte zu schlafen, davon war er überzeugt. Sie wollte, dass er anhielt, um die erste Gelegenheit zu nutzen, sich aus dem Staub zu machen. Und das hieß in dieser Gegend, dass sie sich einen Trucker suchte, der sie mitnahm.
»Will?«
Er achtete nicht auf sie. Doch als er feststellte, dass die Tankanzeige schon unter einem Viertel gefallen war, rutschte er unruhig auf dem Sitz hin und her. Irgendwann würden sie halten müssen.
Vor ihnen lag eine Ausfahrt. Und auf dem dazugehörigen Schild standen die Symbole für Benzin, Essen und Übernachtung.
»Na los, Will. Du siehst wirklich müde aus.«
Er sah sie an.
»Ich bin es auch«, gestand sie. »Und ich habe letzte Nacht immerhin acht Stunden geschlafen. Lass uns eine Pause machen.«
»Wir tanken und trinken Kaffee. Nicht mehr.«
»Und wir können einen Fahrerwechsel machen. Dann kannst du eine Runde schlafen.«
»Auf keinen Fall.«
Er verließ den Highway, und bald darauf hatten sie die Tankstelle erreicht. Der angeschlossene Laden war zwar dunkel, doch die Zapfsäulen waren taghell erleuchtet. Will fuhr an eine heran, als er seinen Fehler bemerkte. Er war so müde, dass er ganz vergessen hatte, dass er bar bezahlen musste und nicht per Kreditkarte. Denn damit würde er Spuren hinterlassen. In seinem Geldbeutel hatte er einen Packen Zwanzig-Dollar-Noten, doch die nutzten ihm hier nichts.
Er seufzte und rieb seine Nase. »He, du hast nicht zufällig eine Kreditkarte, oder? Die auf einen anderen Namen läuft als auf deinen?«
»Wie bitte? Meinst du so etwas wie einen Tarnnamen? Ist das nicht verboten?«
Allein ihr Ton brachte sein Blut in Wallung. Mein Gott, er hatte wirklich ein bisschen Schlaf nötig. »Reiz mich nicht. Hast du jetzt eine Karte oder nicht?«
»Nein.«
Er murmelte das obszönste Schimpfwort, das ihm einfiel, aber sie schien das nicht sonderlich zu beeindrucken.
»Komm schon, lassen wir’s gut sein.« Sie nickte in Richtung des Motels auf der anderen Straßenseite. »Wir können ja morgen tanken.«
Übermüdet nahm Will das Desert Dreams Motel in Augenschein. Das Leuchtschild davor zeigte freie Betten an, und im Eingang brannte noch Licht.
Scheiß drauf.
Er war in jeder Hinsicht alle. Er musste schlafen. Und eine Dusche und etwas zu essen würden auch nicht schaden, um sich für nächsten zehn Stunden hinterm Steuer zu wappnen.
Er fuhr zum Motel und parkte den Wagen. Dass Courtney diese neue Wendung gefiel, war ihr anzumerken.
»Aber nur vier Stunden«, knurrte er. »Und danach tanken wir, damit wir bei Tagesanbruch weiterkommen. Außerdem solltest du nicht einmal daran denken abzuhauen.«
Sie neigte den Kopf zur Seite und tat so, als sei sie
überrascht. »Wir sind mitten in der Wüste. Wo in Gottes Namen sollte ich denn hin?«
In dem winzigen Motelzimmer roch es nach Zigarettenrauch. Courtney setzte sich auf den Bettrand, als Will die Dusche anstellte. Nach wenigen Minuten drang warmer Dampf in den Raum, und sie sah genau in dem Moment ins Bad, als Will nackt unter den Wasserstrahl trat.
Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »Ich behalte dich im Auge. Wenn du glaubst, dass es mir peinlich wäre, dir nackt hinterherzulaufen,
Weitere Kostenlose Bücher