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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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Mann und Familienvater war.
    »Darüber können wir reden«, sagte er. »Wir finden schon eine Lösung.«
    Als Will ein paar Stunden später nach Hause kam, trug sie schon ihren Schlafanzug – eines dieser kleinen, seidigen Teilchen, die Amy klugerweise mit in ihre Tasche gepackt hatte.
    Aber sie hatte ihn nicht mehr lang an. Beinahe sofort nachdem er zur Tür hereingekommen war, zog sich Will aus, und kurz darauf lagen sie nackt im Bett und umschlangen sich. Der Sex war leidenschaftlich und intensiv, und er führte sie zum überwältigendsten Höhepunkt, den sie je erlebt hatte.
    Erschöpft überließ sie sich einem Nachspiel in zärtlicher Stille.
     
    Courtney holte tief Luft, hielt kurz den Atem an und öffnete die Augen. Sie sah ihr Spiegelbild, doch sie
brauchte einen Moment, um sich zu erkennen. Ihr Haar war wieder dunkelbraun, zur Auflockerung mit ein paar helleren Strähnen versehen. Doch was sich wirklich verändert hatte, waren ihre Augen. Sie wirkten ernster, älter. Und bisweilen kamen ihr mitten am Tag und ohne erkennbaren Anlass die Tränen.
    Irgendwas stimmte nicht mit ihr. Sie wusste nicht was, sie merkte nur, dass sie empfindlich war und durcheinander. Sie schaffte es jeden Tag gerade so, zur Arbeit zu gehen und dort zu funktionieren. Zurück in Wills Wohnung bekam sie beinahe regelmäßig einen Weinkrampf, ehe er nach Hause kam. Manchmal, wenn er mitten in der Nacht rausgeklingelt wurde und vor ihrem inneren Auge das Bild auftauchte, wie er auf dem Boden gekniet hatte, musste sie ebenfalls weinen – oft bis sie vor Erschöpfung auf dem feuchten Kissen einschlief.
    »Courtney?« An der Tür klopfte es. »Dein Termin für halb vier ist da.«
    Sie atmete noch einmal tief durch und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Dann öffnete sie die Toilettentür und ging zurück in das Studio. Das Zen war ein angesagtes und teures Day Spa im Zentrum von Austin, und derjenige, der den Termin um halb vier hatte, wirkte hier völlig deplatziert.
    Sie lächelte ihn an. »Schön dass du da bist.«
    Devon zuckte die Achseln.
    »Wo ist deine Mutter?«
    »Nebenan. Sie probiert irgendwelche Schuhe.« Misstrauisch inspizierte er den schwarzen Lederstuhl. »Soll ich da sitzen?«

    »Na klar. Rauf mit dir.« Courtney klopfte auf die Sitzfläche, und er kletterte darauf.
    »Weißt du schon, welche Farbe du willst?«
    »Grün.«
    »Bist du sicher? Immerhin ist Halloween. Wir könnten auch Schwarz und Orange probieren.«
    »Ich möchte aber Grün«, sagte er entschieden.
    »Dann wird es Grün.«
    Dreißig Minuten später stand Courtney auf dem Bürgersteig vor dem Salon und wartete auf Will. Sie war unruhig und fahrig. Die Furcht, die ihr seit heute Morgen wie Klumpen im Magen lag, schien sich überall im Körper auszubreiten. Sie versuchte sich zu beruhigen und aufzumuntern. Auf ein unangenehmes Gespräch mehr oder weniger kam es mittlerweile nicht an. Seit Wochen lebte sie in einem ständigen Auf und Ab der Gefühle. Heute war eben wieder einmal ein Ab an der Reihe.
    Genau wie abgemacht hielt der Suburban pünktlich um vier Uhr vor ihr. Courtney stieg ein. Will war in seinem üblichen Outfit: bequeme graue Baumwollhose, weißes Hemd und dunkles Jackett. Allerdings trug er heute auch eine Krawatte.
    »Hi«, begrüßte sie ihn.
    »Hi.«
    Mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, dass er nur ungern plauderte, und meistens störte sie das auch nicht.
    Während sie sich durch den Innenstadtverkehr quälten, klopfte Will hektisch auf das Lenkrad, und einmal fluchte er, als sie es nicht mehr über eine Ampel schafften.

    »Sind wir spät dran?«
    »Nein.«
    »Du wirkst nervös. Ist was?«
    »Ich bin okay.« Er sah sie an, als hätte er sie gerade zum ersten Mal wahrgenommen. »Bist du denn nervös?«
    Sie zuckte die Schultern. »Eigentlich nicht.« Obwohl sie es eigentlich sein sollte. Sie fuhren zu einem Treffen mit Cernak – dem Menschen, den sie am wenigsten mochte – sowie mit zwei Ermittlern der Bundesbehörden und einem Staatsanwalt.
    Sie musterte Will, dem kleine Schweißperlen auf der Stirn standen.
    »Sag mal, ist bei dir wirklich alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Ja, klar.«
    Das war gelogen.
    »Also, was ist hier los?«
    Erneut sah er sie an. »Nichts.«
    Schon wieder gelogen. Ärger stieg in ihr auf. Er log sie an. Das war offensichtlich. Irgendetwas führte er im Schilde. Die ganze Woche hatte sie schon so ein Gefühl, und das war keine Einbildung gewesen. Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie an das

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