Der stumme Ruf der Nacht
das Restaurant herum zum davorliegenden Parkplatz rannte.
»Lindsey Kahn hält sich irgendwo in New Mexico auf«, fuhr Devereaux fort.
Verflucht. Aber das erklärte einiges.
»Und Courtney ebenfalls.«
»Das weiß ich schon«, rief Will. »Ich bin auch da.«
»Mit Courtney?«
»Nein.« Mit dieser Antwort sperrte Will seinen Wagen auf und setzte sich ans Steuer. Verdammt, und wohin jetzt? Das Asphaltband der Straße erstreckte sich in beide Richtungen bis zum Horizont.
»Lindsey Kahn ist in einem Chrysler Sebring unterwegs. Und sie ist nicht allein«, informierte ihn Devereaux. »Ein Mann ist bei ihr.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe gerade mit einem Autoverleih in Albuquerque telefoniert. Wir haben die Identität des Typen überprüft, den Alex Lovells Überwachungskamera aufgezeichnet hat. Er heißt Mick O’Donnell und ist ein Ex-Knacki. In Boston schreibt man ihm zwei Auftragsmorde zu. Die Autoverleiher meinten, dass er wie der
Mann aussieht, der mit Lindsey Kahn zusammen war. Der Typ hat den Wagen unter einem falschen Namen gemietet, aber er war so blöd, Lindsey Kahns Handynummer als Kontakt anzugeben.«
In Richtung Osten verschwanden ein paar Trucks im Gleißen der Morgensonne. Im Westen sah Will kilometerweit nichts außer der Fahrbahn. Und einen kleinen grünen Fleck, der eine Anhöhe erklomm.
Der Sebring.
»Hodges? Bist du noch da?«
Mit quietschenden Reifen raste er über die Auffahrt zum Highway. »Bin dran.« Er trat das Gaspedal durch und bat seinen ältesten Freund, ihn nicht im Stich zu lassen. Vierzig, sechzig, achtzig. Er schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad, und der schwere Wagen schoss vorwärts.
»Was ist los? Was machst du da?«
»Ich bin Courtney auf der Spur.«
Courtney musterte die Frau, die mit rasender Geschwindigkeit über die Straße jagte. Mit ihrer diamantbesetzten Rolex, dem schwarzen Edel-Trainingsanzug und den gut gemachten und teueren blonden Strähnen sah sie wie eine durchschnittliche Kundin von Courtney aus. Wäre da nicht der irre Glanz in ihren Augen.
»Hast du wirklich geglaubt, du könntest dich vor mir verstecken?« Sie nahm den Blick von der Straße und wandte sich an Courtney. »Lass es dir gesagt sein. Information ist alles. Absolut alles, verstehst du? Ohne Information bist du nichts. Und bleibst nichts. Hörst du mir überhaupt zu?«
Courtney hörte sie, auch wenn sie ihre Energie vor allem darauf verwenden musste, nicht hysterisch zu werden. Die Waffe des Mannes auf dem Rücksitz war auf ihren Kopf gerichtet. Dabei raste die Frau mit mindestens einhundertsechzig Sachen dahin. Was würde passieren, wenn sie über eine Bodenwelle preschten?
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Courtney an. »He, hörst du mir zu?«, brüllte sie.
Courtney schluckte. »Ja.«
»Glaubst du, dass ich jahrelang Gläser gespült habe, um mir das Studium zu finanzieren, damit ich mir jetzt so einfach die Zulassung wegnehmen lasse? Dass ich mich auf dieses Arschloch Wilkers eingelassen habe und dann leer ausgehe?« Sie drosch sich mit der Faust auf den Oberschenkel. »Es ist mein Geld! Ich habe es verdient. Jeden einzelnen Cent davon habe ich mir verdient, und ich werde es nicht deinetwegen verlieren.«
Courtney sah sie fassungslos an. Sie war übergeschnappt. Oder auf Drogen.
Vom Rücksitz her erklang Musik. Die Frau wandte sich um, ohne die Geschwindigkeit zu reduzieren, und kramte in einer Louis-Vuitton-Handtasche nach ihrem Handy.
Sie klappte es auf. »Du hast ihn?« Schweigen. »Gut.« Sie sah auf die Uhr. »Okay, verstanden.«
Wen hatten sie? Will? Courtneys Panik wurde noch größer.
»Da oben, auf der rechten Seite, da ist es okay«, sagte der Mann auf dem Rücksitz, und Courtney drehte sich zu ihm um. Sein Bauch wölbte sich über seiner Jeans. Mit einem Blick in diese grauen, blutunterlaufenen
Augen wusste sie, dass er der Kerl aus dem Zilker Park war. Der mit der Skimaske.
Der David ermordet hatte.
Der auch sie töten wollte.
Und sie hatte ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, mit einem Wok voll heißem Öl geschlagen und war ihm auch noch bei anderen Gelegenheiten entwischt. Jetzt sah er sie finster an.
Die Frau riss das Steuerrad nach rechts, und sie bretterten über eine Bodenwelle. Courtney hielt den Atem an. Wartete auf den Knall der Kugel, die ihr den Schädel zerfetzen würde. Sie rasten über eine Welle nach der anderen, bis der Untergrund ebener wurde und sie über eine riesige Staubfläche dahinflogen.
»Wo fahren wir
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