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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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seinen Drei-Tage-Bart, die dreckige Jeans und das zu enge Baseball-T-Shirt, das er
offenbar von einem Hilfssheriff geborgt hatte. Es gab keinen Zweifel, er war es.
    Aber im Moment hatte sie keine Lust, mit ihm zu streiten. Stattdessen lehnte sie ihren Kopf gegen die Scheibe und sah, wie die Ebene an ihr vorbeizog. Und irgendwann schlief sie ein.
    Als sie aufwachte, waren sie in Abilene, und Will tankte gerade für die letzte Etappe ihrer Reise. Sie sah, wie die Zapfsäule Dollar um Dollar verschlang, und dachte mit schwerem Kopf, dass sie ihm außer ihrem Leben auch mindestens ein halbes Dutzend Tankfüllungen schuldete.
    Will verschwand im Tankstellen-Shop und kehrte mit zwei großen Colas und zwei Hotdogs zurück. Ihr reichte er einen Hotdog mit allem – einschließlich Chili. Danach setzte er sich wieder ans Steuer und brachte den Wagen zurück auf die Straße.
    »Soll ich mal fahren?«
    »Nein.«
    Die nächsten vier Stunden verbrachten sie schweigend. Courtney wurde immer unbehaglicher zumute, je wacher sie wurde und je klarer sie ihre Situation erfasste.
    Sie hatte keinen Job. Sie hatte kein Auto. Auch Fernsehen, Telefon und alle anderen Dienste waren gekündigt. Wenigstens ihre Wohnung besaß sie noch, da die Miete bis Oktober im Voraus bezahlt war. Allerdings hatten Lindsey Kahns Gangster die meisten ihrer Sachen zerschlagen. In ihrer großzügigen Selbstlosigkeit hatte Fiona das Chaos schon vor einem Monat so weit wie möglich beseitigt. Doch der bloße Gedanke, in
das Haus im Oak Trail zurückzukehren, ließ ihren Mut sinken.
    Will hatte ebenfalls schlechte Laune. Die ganze Zeit über sagte er kein Wort, obwohl Courtney nur darauf wartete zu erfahren, was er dachte. Doch er stierte nur geradeaus auf die Fahrbahn. Schließlich hielt sie es nicht länger aus.
    »Bist du rausgeflogen?«
    Er sah sie kurz an. »Nein.«
    »Was ist denn dann los?«
    »Nichts.«
    Nichts. Ach ja. Heute Vormittag waren sie nur um Haaresbreite dem Tod entronnen, und jetzt war alles okay.
    Sie verschränkte die Arme und blickte stumm aus dem Fenster, bis sie in Austin waren. Will fuhr an der Ausfahrt zu ihrem Viertel vorbei, dann auch an der, die sie zu Fionas Haus gebracht hätte. Schließlich nahm er die Ausfahrt, die zu seiner Wohnung führte.
    »Wohin fahren wir?«
    »Nach Hause.«
    Erst wollte sie widersprechen, aber eigentlich fühlte sie sich zu müde. Sie sah, wie er die Kiefermuskeln anspannte, und hielt den Atem an.
    »Es tut mir leid.«
    Es tat ihm leid? »Was denn?«, stutzte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Dass ich das Auto nicht gehört habe. Das von dem zweiten Gangster. Ich habe nicht bemerkt, wie er kam.«
    »Ich auch nicht«, sagte sie. »Es war das totale Chaos. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.«

    »Dabei hatte ich ihn schon beim Frühstück in dem Restaurant gesehen. Ich habe den Ring bemerkt. Den Fiona gezeichnet hatte. Aber ich habe nicht kapiert, dass er es ist.« Er sah ihr in die Augen. »Das tut mir leid. Das hätte uns beinahe das Leben gekostet.«
    »Du brauchst dich doch nicht bei mir zu entschuldigen. Ohne dich läge ich wahrscheinlich jetzt tot in einem Hotelzimmer in New Mexico. Mir tut es leid, dass ich dich in das ganze Schlamassel reingezogen habe.«
    »Du hast mich nicht reingezogen. Das ist mein Job.«
    Diese Worte waren für sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sein Job. Letzte Nacht war ihr das allerdings anders vorgekommen. Als sie in diesem Hotel in der Wüste miteinander schliefen, hatte sich das nicht so angefühlt, als ob das für ihn nur ein Job war.
    Sie hätte es besser wissen sollen. Und sich nicht so viele Hoffnungen machen auf eine Beziehung. Auf jede Art Beziehung, sogar auf eine mit Will.
    Er seufzte. »Lass uns reingehen. Ich bin erledigt.«
    Wenigstens darin stimmten sie überein. Courtney trottete hinter ihm die Stufen hinauf. Dabei wunderte sie sich immer noch, dass er sich während der gesamten neunstündigen Fahrt Vorwürfe gemacht hatte, weil er den anderen Wagen nicht gehört hatte. Auch sie hatte nichts gehört, aber er schien überzeugt, eine Art Superman zu sein, nur weil er ein Polizeiabzeichen trug.
    Vor seiner Wohnungstür bückte er sich und hob eine blaue Tupperware-Dose auf.
    »Was ist das denn?«, fragte sie und runzelte die Stirn.

    »Nichts.«
    Sie folgte ihm in die Wohnung und ließ sich im nächsten Moment auf die Couch fallen. Er schaltete den Fernseher an und zappte zu einem Baseball-Spiel.
    »Möchtest du duschen?«, erkundigte er

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