Der stumme Ruf der Nacht
Kasse schritt, wo sie der Kassiererin ein freundliches Lächeln schenkte und noch einen Schokoriegel in ihren Korb packte. Schließlich bezahlte sie per Kreditkarte, packte ihre drei Tüten und verließ den Laden.
Will folgte ihr in geringem Abstand und gab sich
keine Mühe, seine Anwesenheit oder den Klang seiner Schritte zu verbergen. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr, als ein schmächtiger Mann mit einem zerzausten Bart über die Straße humpelte und geradewegs auf Courtney zukam. Will legte eine Hand auf seinen Holster, sah dann aber, dass sie stehen blieb und den Mann anlächelte. Sie redeten miteinander, während Courtney in ihren Tüten kramte und den Schokoriegel herauszog. Sie reichte ihn ihm, und er zog von dannen.
Auch Courtney machte sich wieder auf den Weg, und nun schloss Will mit wenigen langen Schritten zu ihr auf.
»Hey!«
Sie fuhr herum. Die anfängliche Angst auf ihrem Gesicht verwandelte sich in Gereiztheit. »Verdammt noch mal, warum erschreckst du mich so!«
»Läufst du nachts immer so mutterseelenallein herum?«
»Mich hätte beinahe der Schlag getroffen. Was soll denn das?«
»Ich muss mit dir sprechen.«
»Wie lange läufst du mir schon hinterher?«
»Lange genug.« Er trat näher zu ihr und setzte sein »Ich-bin-ein-böser-Cop«-Gesicht auf. Den Trick hatte er schon mit Erfolg bei Verbrechern, Informanten und sogar bei ein paar Terroristen angewandt. Aber statt eingeschüchtert zu sein, regierte sie verärgert.
»Spionierst du mir jetzt etwa nach? Bist du mein Big Brother, oder was?«
»Du hast versprochen, vorsichtig zu sein.«
»Ich bin vorsichtig.«
»Du passt überhaupt nicht auf. Ich bin dir seit einer halben Stunde auf den Fersen. Du hast zweimal gegen die Verkehrsordnung verstoßen. Du bist an einer dunklen Einfahrt vorbeigegangen. Du hast dich beim Snack-Regal von einem Typen anbaggern lassen. Du bist neben einem Müllcontainer stehen geblieben und hast mit einem Obdachlosen gesprochen …«
»Ich habe mich von niemand anbaggern lassen!«
»Dieser Fettklops vor den Chips. Erzähl mir nicht, dass der dich nicht angemacht hat.«
»Er hat mich nicht angemacht!«
»Ach ja? Was hat er denn gesagt?«
Ihr blieb der Mund offen stehen.
Er nahm ihre Einkaufstüten und bewegte sich in Richtung ihres Hauses.«
»Hey!«, rief sie ihm hinterher.
Er ging einfach weiter. Als sie schließlich loslief, um ihn einzuholen, hörte er hinter sich ihre Absätze auf dem Gehweg klappern.
»Was machst du denn da?«
»Dich nach Hause begleiten.«
Sie ging neben ihm, und dank ihrer langen Beine konnte sie nahezu mit ihm Schritt halten. »Nur zur Info. Ich passe sehr wohl auf mich auf. Außerdem habe ich schon mehrere Kurse in Selbstverteidigung gemacht.«
»Gut.«
»Überhaupt geht dich das gar nichts an.«
Sie bogen in ihre Straße ein, und er kontrollierte die Umgebung. Es war ruhig. Außerhalb des Kegels der
Straßenlaternen war es dunkel. Er fand es positiv, dass die Nachbarn gegenüber einen Dobermann hatten.
»Schon was von Amys Freund gehört?«
»Nein.« Inzwischen war sie ruhiger geworden.
Er sah sie an. Sie trug ein ärmelloses schwarzes Kleid, das wie eine zweite Haut saß. Das burgunderrote Haar und die darauf abgestimmten Lippen waren heute das einzig Farbige an ihr.
»Und wie steht’s mit Amy?«
»Die weicht mir aus. Ich habe seit damals nicht mehr mit ihr gesprochen. Ich glaube, sie schämt sich.«
Sie kamen vor ihrem Haus an, und er bedeutete ihr voranzugehen. Sie holte den Schlüssel aus einer großen schwarzen Handtasche und stieg die Treppe hinauf. Er folgte ihr.
»Der Kerl hat dich angegraben.«
Kopfschüttelnd schloss sie die Tür auf. Sie drehte sich um und sah ihn an. »Möchtest du mir nicht endlich sagen, warum du wirklich hier bist?«
»Wegen einer richterlichen Anordnung.«
Kapitel 7
Courtney überkam ein Gefühl von Beklemmung. »Werde ich jetzt verhaftet?«
Er trat in ihre Küche und stellte die Einkaufstüten auf den Tisch.
»Will?«
»Nein, ich habe nur einen Durchsuchungsbefehl. Soll ich die Getränke in den Kühlschrank stellen?« Er begann, die Tüten auszupacken. Sie schloss die Eingangstür und sperrte ab. Ein Moment zum Nachdenken, wie sie darauf reagieren sollte. Er war wegen des Computers gekommen. Und vielleicht würde er ihr Haus durchsuchen. Es wäre wohl am besten, sie riefe Ackerman an.
Sie ging in die Küche und nahm ihm einen Sechserpack Diet Coke aus der Hand. »Das mache ich schon.«
Schnell holte sie die
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