Der stumme Ruf der Nacht
restlichen Einkäufe aus den Tüten, während er ihr an die Theke gelehnt zusah.
»Ich war draußen beim Randolph«, sagte er.
Das Randolph. Aus einem unerfindlichen Grund war ihr dieser Name unangenehm. Mindestens ein halbes Dutzend Mal hatten sie und David dort die Nacht verbracht. Es war ihre romantische Fluchtburg gewesen, und dieser Superschnüffler Will hatte das vermutlich herausbekommen.
Courtney verräumte alles bis auf Brot, Butter und Käse. Sie sehnte sich nach etwas Einfachem, Ehrlichem. Nach Trost.
»Und was hast du rausgefunden?«, fragte sie beiläufig.
»Eine ganze Menge. Lauter interessanter Sachen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie bückte sich und holte eine Antihaft-Pfanne aus dem Schrank unter dem Herd. Sie zündete die Gasflamme an.
»Offenbar warst du nicht die Einzige, die John als ›David Alvin‹ kannte. Den Namen hat er immer benutzt, wenn er in dem Hotel übernachtete. Er hatte sogar eine Kreditkarte, die auf diesen Namen lief.«
Courtney packte die Butter aus. Sie fühlte sich zumindest ein bisschen entlastet. Es war ihr immer unangenehm gewesen, dass sie seinen Lügen geglaubt hatte.
Ganz geglaubt hatte sie ihm allerdings nicht. Das ungute Gefühl, dass irgendwas nicht ganz stimmte, hatte sie auch veranlasst, seine Taschen, den BlackBerry und das Internet zu durchsuchen. Dabei stieß sie auf einen John David Alvin, der bei der Kanzlei Wilkers & Riley in Austin arbeitete.
»Im vergangenen Jahr hat er sechzehn Mal in dem Hotel übernachtet. Wann warst du denn das letzte Mal dort?«
Sie sah einem dicken Stück Butter in der Pfanne beim Schmelzen zu. An den Rändern begann es bereits, Bläschen zu werfen und braun zu werden. Sie riss ein Päckchen Käse auf und nahm ein paar Scheiben heraus. »Im Januar.«
»Ganz sicher?«
Sie öffnete eine Packung frischen Weißbrots. »Unsere Beziehung dauerte nicht mal einen Monat. Wenn er seit Januar im Randolph war, dann sicher nicht mit mir.« Sie schwenkte die Pfanne, um die Butter zu verteilen, und legte zwei Scheiben Brot hinein. »Hast du Hunger?« Sie stellte fest, dass Wills gesamte Aufmerksamkeit auf die Pfanne gerichtet war.
»Nein. Aber danke.«
»Ich hab den ganzen Tag noch nichts gegessen.« Sie legte zwei Scheiben Käse auf jede Brotscheibe und legte als Deckel wieder Weißbrot darauf.
Sie hatte nicht nur das Mittagessen sausen lassen, sondern auch keine Kaffeepause gemacht. Seit zehn Uhr morgens war sie auf den Beinen, und für einen Sonntag war es im Bella Donna ungewöhnlich hektisch gewesen. Gott sei Dank war morgen ihr freier Tag. Courtney bückte sich und öffnete die Riemchen ihrer Sandalen. Sie zog sie aus und seufzte erleichtert, als sie mit beiden Füßen flach auf dem kühlen Linoleumboden stand. Das fühlte sich gleich viel besser an.
Sie richtete sich wieder auf und bemerkte, dass Will sie mit gerunzelter Stirn ansah.
»Tun die Dinger denn weh?«
»Na klar.«
»Warum ziehst du sie dann an?«
Sie blickte ihn mitleidig an und schleuderte die Schuhe von sich. Sie landeten in einer Ecke des mit Teppich ausgelegten Wohnzimmers. »Weil sie gut aussehen. Schönheit ist schließlich mein Geschäft. Warum hast du denn die ganze Zeit einen Holster umgeschnallt?«
»Weil da meine Pistole drin ist.«
»Und weil es Eindruck macht. Da sieht jeder gleich, wow, Vorsicht, das ist ein harter Kerl.«
Sie machte eine Kopfbewegung zur Pfanne. »Ich glaube, die sind gleich fertig.«
Mit einem Pfannenheber wendete sie die Sandwiches. »Was hast du sonst im Randolph entdeckt?«
»Eine ganze Menge.«
Sie ging auf ihn zu, und er trat einen Schritt zurück. Sie griff hinter ihn und öffnete den Schrank, in dem ihre Teller standen.
Sie machte ihn nervös. Vermutlich wegen des Kusses. Wahrscheinlich dachte er immer noch, dass sie gleich über ihn herfallen würde. Bestimmt gab es eine Art Handbuch für den guten Cop, das ausdrücklich davor warnte, sich mit der Hauptverdächtigen einzulassen.
Sie holte zwei flache Teller aus dem Schrank und stellte sie neben den Herd. Darauf legte sie je ein Sandwich und schnitt sie diagonal durch. Zuletzt holte sie eine Tüte Chips aus dem Vorratsschrank, häufte einen Berg davon neben Wills Käse-Sandwich und reichte ihm den Teller.
»Ich hab doch gesagt, dass ich keinen Hunger habe«, sagte er, obwohl der ihm an der Nasenspitze anzusehen war.
»Das war gelogen.«
Sie holte zwei Flaschen Wasser aus dem Kühlschrank, stellte sie auf den Tisch und ließ sich auf einen Stuhl
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