Der stumme Ruf der Nacht
Badete sie etwa darin, oder was machte sie damit? Morgen in der Arbeit würde er wahrscheinlich wie eine Frau riechen.
Das alles war so verfahren. Das ganze Vertrauen, das er mit seinen neuen Kollegen aufgebaut hat, war dahin. Vermutlich würde er schon morgen aus dem Morddezernat geschmissen werden und dafür eine Stelle als Sesselfurzer bekommen.
Will stellte die Dusche so heiß, wie er es gerade noch ertrug, um sich den Leichengeruch vom Körper zu waschen. Zehn Minuten später war er überzeugt, dass er alles ihm Mögliche getan hatte, um sauber zu werden und dem Problem in seinem Wohnzimmer auszuweichen.
Wie wurde er sie bloß los?
Er rubbelte sich ab und schlüpfte in frische Wäsche. Während er seine Jeans zuknöpfte, fiel sein Blick auf zwei goldene Ohrringe auf dem Waschbecken. Er hatte sie auch heute Morgen gesehen, als er Courtney zur Arbeit gebracht hatte. Sie hatte ein Kleid angehabt und diese aufreizenden Schuhe. Er erinnerte sich, dass sein Blut in Wallung geraten war, als er sich vorgestellt hatte, dass ein Mann in ihrem Friseurstuhl saß und sich wünschte, sie zu berühren, während sie ihm das Haar schnitt.
Ebenso wie er.
Will zog sich ein T-Shirt über und ging zurück in die Küche. Bis auf das Flackern des Fernsehers war die
Wohnung wieder dunkel. Er nahm sein Bier und trank einen Schluck. Courtney hatte für ihn Essstäbchen herausgelegt, aber er zog eine Schublade auf und nahm sich stattdessen Messer und Gabel. Anschließend schnappte er sich den Teller mit dem mittlerweile erkalteten Essen und setzte sich zu ihr auf die Couch.
»Hast du ein Auto?«
»Eine Freundin hat mich hergebracht.«
Ohne Kommentar stellte er seinen Teller klirrend auf den Couchtisch.
»Die Astros gewinnen«, sagte sie leichthin, um ihn mit ihrer guten Laune abzulenken. »Hey, Kopf hoch. Wenn es dich tröstet, ich hatte auch einen beschissenen Nachmittag.«
Er zischte verächtlich. »Was? Kam jemand mit einem Haarspitzenkatarrh?«
Courtney stand auf und ging ins Schlafzimmer. Kurz darauf ging sie an ihm vorbei in Richtung Tür. Über ihrer Schulter hing eine Reisetasche.
Mist.
Er sprang im selben Moment auf, als sie die Wohnungstür aufriss.
»Warte«, sagte er und drückte die Tür wieder zu.
»Geh weg!« Ihr Gesicht war vor Zorn gerötet, doch in ihren Augen standen Tränen.
»Es tut mir leid.«
»Akzeptiert. Aber jetzt geh weg.« Sie zerrte an der Tür, doch er drückte weiter dagegen. »Du bist ein Idiot, weißt du das? Wahrscheinlich verdiene ich sogar mehr als du, also spar dir deine Herablassung!«
»Ich hab das nicht so gemeint.«
»Glaubst du, dein Job ist was Besonderes? Zumindest mache ich in meinem Job Menschen glücklich. Wann hast du denn zum letzten Mal jemand glücklich gemacht?«
»Wahrscheinlich noch nie«, gab er zu und hoffte, dass sie weiter wütend blieb und nicht zu weinen anfing. »Es tut mir wirklich leid.«
»Schön für dich.« Wieder zerrte sie am Türgriff, doch seine Hand blieb auf der Tür liegen.
»Geh zur Seite!«
»Ich hab doch gesagt, es tut mir leid.«
Sie kreuzte die Arme vor der Brust und blickte zu Boden. Ihre Wangen waren trocken, doch er sah, dass ihr Kinn zitterte. Großer Gott, sie würde deswegen doch nicht zu weinen anfangen. Offenbar hatte er unterschätzt, wie mies ihr Tag gewesen war.
Entweder das, oder sie war wirklich empfindlich, was ihren Beruf betraf.
Courtney war bisher stets so resolut aufgetreten, dass er nicht geglaubt hatte, er könnte ihre Gefühle verletzen. Oder er war so sehr beschäftigt damit gewesen, sie aus der Wohnung zu kriegen, dass es ihm egal gewesen war.
Er steckte einen Finger durch den Riemen der Reisetasche und zog ihn von ihrer Schulter. »Geh nicht.«
Sie holte tief Luft, und er küsste sie auf das Haar. Es war noch feucht und roch so gut, dass er es noch einmal küsste. Sie hob den Kopf und sah ihn an. Da verlor er die letzten Bedenken.
»Bitte«, flüsterte er und küsste sie auf den Mund. »Bleib da.«
Kapitel 15
Courtney wollte den Kuss genießen, doch dafür war sie zu tief verletzt. Seine Worte hatten sie getroffen. Ihr war bewusst, dass sie in unterschiedlichen Welten lebten. Aber nicht, dass er so verächtlich von ihr dachte.
Sie entzog sich ihm. »Stopp.«
Er ließ von ihr ab, obwohl ihm die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben stand.
»Bitte vergiss, was ich gesagt habe. Du hast recht, ich bin ein Idiot.«
Statt sie wieder zu küssen, zog er sie an seine breite kräftige Brust. Links, an sein
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