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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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ihrem Gesicht war eine Mischung aus Wut und Abscheu.
    Dabei hatte sie noch nicht einmal die Leiche gesehen.
    Nathan hasste die Aufgabe, die nun vor ihr lag. Er hasste es, dass sie immer und immer wieder zu den allerschlimmsten Fällen gerufen wurde. Für Polizisten gehörte es zum Beruf, sich mit dem Abschaum der Gesellschaft abzugeben. Aber Fiona war anders. Nicht so abgestumpft, wie sie es für diese Arbeit sein müsste. Er würde sich wahrscheinlich immer unwohl fühlen,
wenn er sie um Hilfe bat, obwohl er nicht wusste, was er ohne sie anfangen sollte. Er konnte die Fälle nicht mehr zählen, die sie nur dank ihrer Arbeit abgeschlossen hatten.
    »Konntest du keine Vermisstenanzeige finden?«, fragte sie.
    »Keine, auf die die Beschreibung passt«, antwortete er.
    Das war ein weiterer Grund, warum Nathan überzeugt war, dass sie nach der Mutter des Jungen suchten. Und nach dem Mistkerl, mit dem sie zusammenlebte. Vielleicht war es der Vater, aber Nathan vermutete, dass dahinter ein Stiefvater oder ein Freund steckte, der nicht besonders viel für das Kind eines anderen Mannes übrighatte.
    »Die Mutter wird nichts sagen«, sagte Fiona entschieden. »Sie ist zu schwach. Uns hilft nur ein besorgter Verwandter, der das Kind schon längere Zeit nicht mehr gesehen hat.«
    Nathan starrte das Röntgenbild an. Er verabscheute jeden Mord an Kindern, aber bei diesem war sein Ekel besonders groß. Was waren das für Frauen, die dasaßen und zuließen, dass ihre Kinder verprügelt wurden? Sie waren noch schlimmer als ihre Männer. Angeblich war der Mutterinstinkt angeboren, aber im Laufe der Zeit hatte Nathan schon viel zu oft das Gegenteil erlebt.
    »Ich bringe dir die Zeichnungen, und du bringst sie in die Nachrichten.« Mit düsterer Miene wandte sich Fiona an ihn. »Unsere größte Hoffnung ist die Großmutter des Jungen.«

    Irgendjemand war in Wills Wohnung.
    Er wusste nicht genau, woran er das merkte, aber ihm war klar, dass jemand da drin sein musste. Eine Minute lang stand er vor der Tür und lauschte, ehe er die Schlüssel sachte ins Schloss schob. Während er mit der linken langsam den Schlüssel herumdrehte, legte er die rechte Hand auf den Griff seiner Pistole. Geräuschlos öffnete er die Tür.
    Die Wohnung war so dunkel, wie er sie verlassen hatte. Nur das kleine Lämpchen von der Mikrowelle über dem Herd leuchtete. Alles war still. Er trat über die Schwelle und hielt einen Moment in der Diele inne.
    Er roch chinesisches Essen.
    Jemand bewegte sich rechts von ihm. Er zog seine Waffe und wirbelte herum -
    »Oh mein Gott, hast du mich erschreckt!«
    Courtney.
    Sie stand, als Silhouette vor dem hellen Licht, in der Tür zu seinem Badezimmer. »Ich habe dich gar nicht hereinkommen hören«, sagte sie und trat ins Wohnzimmer.
    Völlig perplex staunte er sie an. Ja, sein erster Eindruck war richtig gewesen, sie stand da tatsächlich in das beige Badetuch gehüllt. Etwas beschämt steckte er die Pistole ins Holster zurück. »Wie bist du hier reingekommen?«
    Sie zuckte die Achseln. »War ganz leicht.« Sie drehte sich um und schlenderte in sein Schlafzimmer. Ihm fiel auf, dass auf ihre Schulter eine Blume tätowiert war.
    Leicht war es also gewesen. In seine verschlossene Wohnung zu kommen war leicht gewesen.

    »Ich brauche nur noch eine Minute.« Sie schaltete eine Lampe an. »Ich muss mir nur was anziehen.«
    Die Schlafzimmertür fiel ins Schloss. Will glotzte fassungslos.
    Courtney Glass war in seinem Schlafzimmer.
    Bekleidet mit nichts außer einem Badetuch.
    Er ließ erneut den Blick durch die Wohnung schweifen. In der Luft hing zweifellos der Duft von chinesischem Essen. Er ging in die Küche und schaltete das Licht an. Auf der Ablage war nichts, ebenso wenig auf dem Tisch. Er öffnete den Kühlschrank. Auch da fand er das gewohnte Bier und seine Energy Drinks. Alles sah genauso aus, wie er es hinterlassen hatte, außer -
    Die Schlafzimmertür ging auf. Courtney kam heraus – barfuß und mit nackten Beinen. Sie trug nur eine schwarze Sweatjacke und eine abgeschnittene ausgefranste Jeans.
    »Hast du schon was gegessen?«, fragte sie im Vorbeigehen auf dem Weg in die Küche.
    »Stopp mal. Wie bist du hier reingekommen?«
    »Mit Hilfe deiner Vermieterin.« Sie öffnete den Ofen und holte einen kleinen weißen Karton heraus. »Magst du Hühnchen?«
    »Meine Vermieterin hat dich hier hereingelassen?«
    »Halt, bevor du dich aufregst, möchte ich sagen, dass sie eine wunderbare alte Dame ist.« Sie holte noch ein

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