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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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herein.
    »Herr Kommissar? Hier ist Kriminalassistent Lange für Sie.«
    Der Neue aus Hannover stand schon hinter der Sekretärin. »Kommissar Rath«, grüßte er freundlich, »Oberkommissar Böhm meint, ich soll mich zu Ihrer Verfügung halten.«
    Böhm überließ auch nichts dem Zufall. Rath mochte den Neuen, dennoch war klar, dass Lange, auch wenn er das selbst nicht wusste, nur ein Spitzel war, den die Bulldogge ihm an die Seite stellen wollte. Aber wozu gab es klare Hierarchien bei der preußischen Polizei?
    »Das trifft sich gut, Lange«, sagte Rath. »Sie können hier die Stellung halten. Ich brauche jemanden, der zu den Kollegen in Breslau Kontakt aufnimmt, dort lebt die Familie von Vivian Franck - der Toten. Fräulein Voss wartet auf einen Rückruf, ist aber nicht befugt, den Kollegen dort Weisungen zu erteilen.«
    Lange nickte, und Rath zeigte auf Gräfs verwaisten Schreibtisch. »Nehmen Sie doch solange hier Platz, ich muss zu einem Termin. Und wenn Sie einen Kaffee möchten - Fräulein Voss ... «
    Die Sekretärin lächelte. »Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause, Herr Lange«, sagte sie.
    Diesmal nahm Rath die Avus für den Weg nach Babelsberg, er durfte keine Zeit verlieren. Zehn Kilometer bis Wannsee versprachen große Buchstaben am Mauthäuschen. Eine Mark kostete der Spaß. Obwohl er den Buick gnadenlos über die schnurgerade Piste peitschte, war es bereits kurz vor zwölf, als er die Filmstadt in Neubabelsberg erreichte. Diesmal parkte er nicht auf der Stahnsdorfer Straße, sondern fuhr mit dem Auto direkt auf das Gelände. Bereitwillig öffnete der Pförtner die Schranke, als er die Polizeimarke sah. Die orientalische Stadt, in der Rath sich vor einer knappen Woche noch verlaufen hatte, war inzwischen bis auf ein Gerippe wieder abgebaut, er konnte die große Halle schon vom Pförtnerhäuschen aus sehen und fuhr mit dem Wagen bis vor das Tor. Diesmal ließ ihn der Wachmann sofort ein, das Lämpchen über der Tür brannte gerade nicht.
    Die Kulisse sah ähnlich aus wie die von Liebesgewitter, ein Salon, vielleicht ein wenig eleganter und geschmackvoller eingerichtet als bei Bellmann. Auf dem Parkett probte gerade Rudolf Czerny mit einer Frau, die entfernt an Vivian Franck erinnerte. Bellmann hatte ein besseres Händchen bewiesen, als er Betty Winter durch Eva Kröger ersetzte, dachte Rath. Oppenberg konnte er nirgends entdecken. Er wartete brav, bis Czerny die Szene zu Ende geprobt hatte. Der Schauspieler erkannte ihn und kam auf ihn zu.
    »Herr Rath«, sagte er und schüttelte ihm die Hand, »was führt Sie denn zu uns? Haben Sie eine Spur von Vivian?«
    »Wie man's nimmt«, sagte Rath, »das würde ich gern mit Herrn Oppenberg besprechen.«
    »Ich fürchte, da kommen Sie ein paar Minuten zu spät, unser Produzent hat sich eben für ein paar Stündchen verabschiedet.« »Ich hoffe, er ist nicht ins Büro gefahren, dort hat man mich nämlich hierhin geschickt!«
    »Nein, er ist zum Mittagessen eingeladen, kann nicht allzu weit weg sein, glaube ich. Aber warten Sie ... « Czerny schaute sich suchend um. »Silvia«, rief er dann, »kannst du bitte mal kommen?« Eine flinke Brünette mit Klemmbrett unterm Arm, höchstens Mitte zwanzig, aber mit streng geknoteter Frisur über dem hübschen Gesicht, eilte mit kurzen, schnellen Schritten herbei.
    »Silvia, kannst du Herrn Rath hier sagen, wo der Chef heute eingeladen ist?«
    Sie musterte Rath, bevor sie antwortete. »Die Einladung kommt von einem wichtigen Geschäftspartner.«
    »Von welchem Geschäftspartner? Und in welchem Lokal kann ich die beiden finden?«
    Wieder zögerte sie etwas, bevor sie antwortete. »Kein Lokal«, sagte sie. »Herr Marquard bewirtet seine Gäste gern zu Hause. Seine Küche kann es mit den besten Restaurants in Berlin aufnehmen.«
    »Marquard! Der Kinobesitzer?«
    Sie schien überrascht zu sein, dass er den Namen kannte. »Seine Kinos betreibt er doch nur aus Liebhaberei«, sagte sie. »Nein, er besitzt auch ein Kopierwerk und einen großen Filmverleih - einen der größten unabhängigen. Wichtig, wenn Sie der allmächtigen Ufa Paroli bieten wollen.«
    »So wie die Montana?«
    »Genau. Und wie viele andere kleinere Firmen. Marquard kämpft an unserer Seite gegen die Ufa.«
    »Und gegen den Tonfilm.«
    »Er denkt eben nicht nur ans Geld, ihm geht es um die Kunst.
    Und da ist er nicht der Einzige, der im Tonfilm einen Angriff auf die Filmkunst sieht. Er glaubt, dass die Kleinen in ihrem Überlebenskampf gegen die Ufa auf den

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