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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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euch«, meinte Rath.
    »Wieso? Willst du mir das Sie anbieten?«, fragte Paul.
    Charly lachte, und Rath merkte, wie er eifersüchtig wurde, als habe Paul ihm dieses Lachen gerade gestohlen. Er musste daran denken, wie sie sich einmal in die Quere gekommen waren wegen einer Frau, und wie das fast ihre Freundschaft zerstört hatte. Seitdem hatten sie sich geschworen, so etwas nie wieder zuzulassen, ihre Freundschaft müsse wichtiger sein als irgendwelche Frauengeschichten.
    Aber Charly war nicht irgendeine Frauengeschichte.
    Er hörte seinen Namen und merkte, dass Paul und Charly sich über ihn unterhielten.
    »Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt ?«, fragte Charly gerade.
    »Das war in der Schule. Ich war neu in die Klasse gekommen, meine Eltern waren aus Neuwied zugezogen. Ich kannte also kein Schwein, und Gereon hat mir erst mal einen nassen Schwamm an den Kopf geworfen, als der Lehrer gerade nicht hinsah.«
    »Wie?«
    »Neben mir war der einzige freie Platz, und ich wollte nicht, dass der Neue sich dahin setzt«, sagte Rath. »Aber die anderen wollten auch, dass er den Schwamm an den Kopf kriegt, die haben ihn von der ersten Reihe an durchgereicht, bis er bei mir landete. Das Ding war triefend nass. Eigentlich hatten wir, glaube ich, geplant, dass der Lehrer sich da reinsetzt, der Bremser. Aber dann kam der Neue.«
    »Und?«
    Rath zuckte die Schultern. »Paul hat überhaupt nicht reagiert, das kreidegetränkte Wasser lief über sein Gesicht, aber er hat sich seelenruhig seinen Platz gesucht. Den neben mir.«
    »Und dann haben wir uns in der großen Pause mal unterhalten, ziemlich intensiv sogar. Und seitdem sind wir Freunde.«
    »Und ich hatte eine dicke Lippe und du ein blaues Auge. Oder war es umgekehrt?«
    »Keine Ahnung«, sagte Paul, »jedenfalls waren wir für längere Zeit gezeichnet. So etwas verbindet.«
    »Ehrlich!« Charly lachte. »Dann will ich nur hoffen, dass ihr euch zur Auffrischung eurer Freundschaft nicht alle halbe Jahre prügeln müsst!«
    »So häufig sehen wir uns gar nicht mehr.«
    »Wie kann man nur auf so eine Idee kommen? Dem Neuen in der Klasse einen Schwamm an den Kopf zu werfen?«
    »Gereon war schon immer etwas eigenwillig«, meinte Paul. »Hat er dir erzählt, wie er einmal die Sonntagsmesse von Sankt Bruno aufgemischt hat? Und das im heiligen Köln!«
    Das war keine harmlose Anekdote mehr, das war ein Test. Paul wollte wissen, wie ernst es zwischen ihm und Charly war. Sehr ernst, mein Freund, sehr ernst! Das wirst du gleich sehen!
    »Was war denn da?«, fragte Charly.
    »Eigentlich nicht viel.« Rath steckte sich eine Zigarette an, bevor er die Geschichte erzählte. »Wir haben Haschisch in die Weihrauchkugeln gefüllt. Ich und mein Bruder.«
    »Haschisch? «
    »Aus Polizeibeständen. Haben sie bei irgendeinem armen Künstler konfisziert, und Vater hat es mit nach Hause genommen und bei Tisch rumgezeigt. Um uns zu warnen oder so.«
    »Und das hast du stibitzt?«
    »Nicht ich, mein Bruder.«
    »Du hast mir noch nie von deinem Bruder erzählt.«
    »Severin. Vier Jahre älter als ich. Lebt schon seit Ewigkeiten in den Staaten. Die Sache war auch mehr auf seinem Mist gewachsen als auf meinem. Aber ich hab ihm geholfen, ich war damals Messdiener und hab ihm die Sakristei geöffnet, kurz vor der Messe.«
    »Meine Güte! Und was ist passiert?«
    »Wir haben den Weihrauch geschwenkt während der Wandlung und Pastor Lippert hat gegen Ende der Messe immer seltsamere Sachen gesagt. Was nicht weiter auffiel, weil der sowieso immer etwas seltsam war.«
    »Aber gekichert mitten in der Messe, das hat er sonst nie«, meinte Paul.
    »Nee, aber aufgefallen wär's wahrscheinlich trotzdem nicht. Erst als der Naujoks zusammenklappte.«
    »Wer?«
    »Der andere Messdiener am Weihrauchschwenker. Wir bekamen ja die volle Ladung ab. Mir war auch nicht sonderlich gut, muss ich sagen. Zuerst war's lustig, dann war mir schlecht. Aber zusammengeklappt bin ich nicht.«
    »Und wegen diesem Naujoks haben sie euch erwischt?«
    »Vater hat sich die Dinge zusammengereimt, als er entdeckte, dass das Haschisch weg war. Und dann hat man Severin angeblich hinten aus der Sakristei kommen sehen.«
    »Und du?«
    »Mein Vater weiß bis heute nicht, dass ich dabei war. Und er soll das auch nie erfahren. Severin hat nichts verraten. Obwohl sie wussten, dass er einen Helfer gehabt haben musste. Aber er hat dichtgehalten.« Rath musste daran denken, wie sehr sie seinen Bruder unter Druck gesetzt hatten. Wegen eines

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