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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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wusste nicht, was er davon halten sollte. Aber mangels handfester Spuren gingen sie eben auch solchen Dingen nach.
    Im Yangtao am Hohenzollerndamm bekam er erst einmal niemanden an die Strippe. Er befahl Erika Voss, es alle fünf Minuten unter dieser Nummer zu versuchen. Kurz vor elf war sie endlich erfolgreich.
    »Herr Kommissar«, sagte sie, »Ihre Chinesen.«
    »Rath, Kriminalpolizei«, meldete er sich, nachdem die Voss durchgestellt hatte.
    »Wen Tian, Yangtao«, sagte eine weiche, die Konsonanten lediglich andeutende Stimme.
    »Ich war neulich schon mal bei Ihnen, mit einem Kollegen. Können Sie sich erinnern? Ich würde gern wissen, woher Sie die Yangtao für Ihre Küche beziehen.«
    »Wolle reseviere?«
    »Nein, ich bin von der Polizei. Ich müsste nur wissen, wo in Berlin Yangtao zu bekommen ist.« »Monntag Ruhetag.«
    »Ich möchte nichts bei Ihnen essen.« »Besse reseviere. Yangtao viele Gäste.« »Ich habe nur eine Frage! Nicht essen!« »Füe ßwei Peesone?«
    Rath gab es auf.
    »Hier Polizei«, sagte er. »Ich gleich bei Ihnen.« »Manntag Ruhetag.«
    Er legte auf.
    »Ich muss raus«, sagte er zu seiner Sekretärin, »können Sie sich um den Hund kümmern, Erika?«
    »Gleich ist Mittag! Wollen Sie ihn nicht mitnehmen?«
    »Da, wo ich hinfahre, setzt man Kirie womöglich auf die Speisekarte.«
    Sie schaute ihn erschrocken an. »Meine Güte! Wohin fahren Sie denn?«
    »Zu den Chinesen.«
    Bevor er losfuhr, machte Rath sich zu Fuß auf den Weg zur Zentralmarkthalle, die nur einen Steinwurf von der Burg entfernt lag. Der große Rummel war schon vorüber, der herrschte hier in aller Herrgottsfrühe, lange vor dem Erwachen der übrigen Stadt. Die Zentralmarkthalle bestand eigentlich aus zwei Hallen, voneinander getrennt durch die Kaiser- Wilhelm-Straße, auf der beiderseits die Fuhrwerke parkten und in den frühen Morgenstunden immer wieder Verkehrsstaus verursachten. Rath musste sich durchfragen; die Obst- und Gemüsehändler waren in der nördlichen Halle untergebracht. Die beste Ware war längst verkauft, ein paar Salatköpfe welkten traurig vor sich hin. Rath sprach einen rotgesichtigen Mann mit Walrossschnauz an, der unter einem großen Firmenschild Kisten stapelte.
    »Wat wollense?«, schnaufte das Walross.
    »Ich suche einen chinesischen Obst- und Gemüsehändler hier in der Markthalle.« »Seh ick so aus?«
    »Ne, aber vielleicht kennen Sie ja einen.« » Wer willen det wissen?«
    Rath zeigte seine Marke.
    »Lassense doch die armen Schlitzaugen in Ruhe! Harns schwer genug!«
    »Ich brauche nur ein paar Auskünfte. Zu einer chinesischen Obstsorte.«
    Der Mann schaute ihn einen Moment an, als wäge er ab, ob er einem Kriminalen trauen könne, dann sagte er: »Oben auf der Galerie, direkt am Mittelgang, wo die Großschlachter sind, geht ne Treppe hoch. Fragense da mal nach Lingyuan, det könnte der Richtije sein.«
    Rath tippte an seinen Hut und machte sich auf den Weg durch die Halle. Es war kaum zu glauben, welche Massen von Lebensmitteln es hier zu kaufen gab, obwohl die meisten Händler nur noch das anboten, was die Verkaufsschlacht am frühen Morgen überlebt hatte. Rath fand die Treppe wie beschrieben und stieg zur Galerie hoch. Hier oben waren die kleineren Händler untergebracht, die nicht so viel Platz beanspruchten und zu denen sich weniger Kunden verirrten. Den Stand von Lingyuan entdeckte er, ohne noch einmal nachfragen zu müssen. Eine große chinesische Papierlaterne, die in den Gang hinausragte, wies den Weg. Lingyuan bot nicht nur exotische Obst- und Gemüsesorten an, auch Gewürze und Kräuter, die Rath noch nie gesehen hatte. Einige Gerüche erinnerten ihn an das Chinarestaurant am Hohenzollemdamm, er fühlte sich gleich in eine andere Welt versetzt, ein kleines Stück Asien mitten in Berlin. Der König dieser Welt war ein kleiner Chinese in einer grünen Schürze über dem grauen westlichen Anzug. Nur die Gesichtszüge verrieten den Chinesen, der Mann sprach akzentfreies Deutsch. Nicht einmal mit den Konsonanten hatte er Probleme.
    »Sie wünschen?«, fragte er.
    »Nur eine Auskunft«, sagte Rath. Diesmal zeigte er gleich seine Marke. Der Chinese nickte demütig und lächelte. »Sie verkaufen chinesische Lebensmittel ... «
    »Seit über sieben Jahren schon ... «
    » ... kann man bei Ihnen auch Yangtao bekommen?« Lingyuan zeigte auf einen Kistenstapel.
    »Hier«, sagte er, »der Rest. Vor zwei Wochen aus China gekommen.«
    »So alt schon?«
    »Yangtao müssen Sie nur kühl halten,

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