Der stumme Tod
Privatvergnügen. Ich weiß ja, dass Sie mich nicht anzeigen werden.«
»Ich weiß immer noch nicht, was Sie überhaupt wollen.«
»Ich möchte, dass Sie Ihre Brieffreundschaft mit einem meiner Freunde aufgeben. Keine Briefe unfreundlichen Inhalts mehr, mit Rotstift verfasst und in den Briefkasten des Staatsratsgebäudes geworfen. Erpressung ist ein schweres Verbrechen.«
»Dann zeigen Sie mich doch an, wenn Sie mich für einen Erpresser halten! Aber das trauen Sie sich ja nicht! Weil Ihr feiner Freund dann mit seinen unsauberen Geschäften einpacken kann! Adenauer, dieser Judenfreund, dieser ... «
Weiter kam er nicht. Rath schlug noch einmal zu. Wieder in die Magengrube. Dieser Kerl zeigte eindeutig zu wenig Respekt. Dann beugte er sich über den nach Luft schnappenden Mann, zerrte ihn am Kragen nach oben und sprach direkt in sein Ohr.
»Sie sollten diese Angelegenheit etwas ernster nehmen, schließlich geht es um Ihre Gesundheit. Also: Keine Briefe mehr, keine Belästigungen irgendwelcher Art. Wenn irgendwelche Details über diese unliebsame Glanzstoffaffäre an die Öffentlichkeit geraten, mache ich Sie persönlich dafür verantwortlich. Also schärfen Sie Ihrer Freundin ein, wie gefährlich es sein kann, Dienstgeheimnisse so freizügig auszuplaudern, wie sie es offensichtlich getan hat.«
Schmieder schnappte nach Luft und nickte.
»Ich hoffe, Sie haben verstanden. Zu Ihrem Besten hoffe ich das!
Denn das nächste Mal bekommen Sie Besuch von anderen Leuten, die sind besser in so was als ich!«
Schmieder sagte nichts. Er nickte nur, immer und immer wieder, und zitterte dabei am ganzen Körper.
Rath hatte bislang nicht gewusst, dass er so Furcht einflößend sein konnte. Er ließ den Kragen los und stand auf.
Plötzlich fing der Fordarbeiter an zu schluchzen. »Ich wollte doch nur, dass alles so bleibt, wie es ist«, sagte er. »Was soll ich denn machen, wenn Ford schließt? Als die mich eingestellt haben vor drei Jahren, dachte ich, jetzt fängt mein Leben richtig an, jetzt verdiene ich anständig Geld! Und das soll jetzt alles wieder vorbei sein? Wissen Sie, wie viel Arbeitslose es inzwischen in der Stadt gibt? Was soll ich denn machen, wenn es Ford nicht mehr gibt?«
»Jedenfalls sollten Sie sich nicht als Erpresser versuchen«, meinte Rath, »dazu fehlt Ihnen eindeutig das Talent.«
Er ließ das Häufchen Elend zurück und verließ die Wohnung, setzte sich ins Auto und fuhr los. Er wollte nur noch raus aus Moabit, raus, raus, raus. Die Wut raste immer noch in ihm.
Über die Invalidenstraße fuhr er in Richtung Osten und hielt erst am Stettiner Bahnhof vor einer Telefonzelle. Bevor er ausstieg, rauchte er eine Zigarette, um wieder etwas ruhiger zu werden. Dann suchte er zwanzig Pfennig zusammen und rief im Ostbahnhof an. Zu seiner Überraschung ging Marlow selbst an den Apparat.
»Herr Kommissar« Doktor M. klang aufrichtig erfreut. »Schön, dass Sie sich melden. Haben Sie schon etwas bewirken können in Sachen Deutsche Kraft?«
»Die Sache läuft«, log Rath. »Vielleicht können Sie mir auch einen kleinen Gefallen tun.«
»Jederzeit. Wenn Sie nichts Unmögliches verlangen.«
Rath nannte die Adresse und den Namen von Anton Schmieder. »Nichts Wildes«, sagte er. »Der Mann muss nur ein bisschen Angst bekommen. Auffällig beschatten lassen von möglichst Angst einflößenden Männern, die ihm immer mal wieder über den Weg laufen und einen bösen Blick zuwerfen.«
Marlow lachte. »Sie müssen mir nicht erzählen, wie man so etwas macht. Wie weit dürfen meine Männer denn gehen?«
»Nur Angst einjagen, sonst nichts! Keine körperliche Gewalt!
Unter keinen Umständen!«
»Wenn Ihr Mann aber handgreiflich werden sollte, müssen meine Leute sich wehren können, das kann ich ihnen nicht verbieten,« »Keine Angst, das wird er nicht tun. Das ist ein armes Würstchen.«
»Wenn Sie das sagen.«
Rath fühlte sich nicht wohl bei diesem Pakt mit dem Teufel, aber er war ohnehin schon viel zu sehr darin verstrickt, als dass dieser zusätzliche Gefallen, den Marlow ihm tat, daran irgendetwas ändern würde. Er ertappte sich dabei, dass er Mitleid mit Schmieder bekam, diesem Erpresser von der traurigen Gestalt, doch er redete sich ein, dass ein Erpresser es nicht besser verdient habe. Außerdem konnte er von Glück reden, sich nicht strafrechtlich verantworten zu müssen. Eigentlich also waren doch alle Beteiligten gut aus der Sache rausgekommen: Adenauer hatte seine Ruhe, Schmieder kam nicht in den
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