Der stumme Tod
Bild. Es sei denn, irgendwer kriegt raus, wer die Schauspielerin auf dem Foto ist.« »Das kriegt keiner raus.«
Rath legte auf und aß die Buletten und den Kartoffelsalat. Als er gegessen hatte, griff er noch einmal zum Telefon. Er hätte Lust gehabt, sich heute Abend mit Paul einen anzutrinken, aber im Excelsior sagte man ihm, Herr Wittkamp sei mal wieder unterwegs.
»Dann gehen wir beide eben alleine«, sagte Rath zu Kirie und leinte sie an.
Und dann machte er sich mit ihr auf den Weg ins Dreieck. Die Kneipe war bereits brechend voll, wozu es in dem engen, dreieckigen Raum allerdings auch nicht allzu viele Leute brauchte. Rath stellte sich an die Theke und bestellte das erste Gedeck. Er war nicht der einzige Gast mit Hund, auch anderen Männern dienten die Tiere offenbar als Alibi, um abends noch aus dem Haus gehen zu können. Kirie vertrug sich mit den Alibi-Hunden ganz gut. Neugierig beschnüffelte sie einen hässlichen Boxer, der das mit bewegungsloser Miene über sich ergehen ließ. Schorsch hatte den Hunden eine Schüssel hingestellt und füllte Wasser nach. Dann bediente er auch seine zweibeinigen Gäste.
Mit Kirie, dachte Rath und kippte den Korn und trank den ersten Schluck Bier, mit Kirie würde er wenigstens wieder nach Hause finden.
Mittwoch,
12. März 1930
Kapitel 48
Glücklicherweise hielt Gennat die morgendliche Besprechung kurz, angesichts des Verhörreigens, der im Anschluss beginnen sollte. Rath versuchte, dem Buddha zu folgen, doch das war schwierig. Er hatte alles Mögliche unternommen, sogar kalt geduscht, aber er spürte den Kater noch immer in den Knochen. Meisner sollte als Zweites an die Reihe kommen, gleich hinter Cora Bellmann, die immer noch als Hauptverdächtige gehandelt wurde, weil man ihr als Einzige zutraute, womöglich im Auftrag ihres Vaters gehandelt zu haben.
Vorher bekamen Lange und Czerwinski noch ein bisschen Redezeit, um die neuesten Erkenntnisse in Sachen Kinomörder zu referieren. In der Schlüsselsache hatte Lange inzwischen wenigstens von der Reinigungsfirma eine Liste der Leute bekommen, die in beiden Kinos gearbeitet hatten. Leider waren das eine ganze Menge. Und Czerwinski hatte eine Neuigkeit, die Rath aufhorchen ließ: Das Kino, in dem Betty Winter 1925 ihre Filmpremiere gefeiert hatte, das Tivoli in Weißensee, war im Dezember tatsächlich geschlossen worden.
»Betty Winter wäre also«, übernahm Gennat die Schlussfolgerung, »für unseren Kinomörder durchaus infrage gekommen, wir haben dieselben Faktoren: Filmschauspielerin, unter dreißig, gerade mit ihrem ersten Tonfilm im Kino - und ihr Premierenkino hätte sich ebenfalls bestens geeignet für die finale Inszenierung, die unser Täter seinen Opfern zukommen lässt. Ich bitte alle, auch an diese möglichen Zusammenhänge zu denken, wenn wir gleich in die Verhöre gehen, vor allem aber das Folgende, das Ihnen der Kriminalsekretär Czerwinski noch berichten wird. Fahren Sie doch bitte fort, Herr Kollege.«
»Das Kino hat schon eine neue Nutzung gefunden«, sagte der Kriminalsekretär, »interessanterweise aber wird aus dem Tivoli kein Tonfilmkino, sondern das, was es vor über zehn Jahren schon einmal war: ein Theater. - Und raten Sie mal, meine Herren, wer dieses Theater leiten wird?« Czerwinski schaute in die Runde, ob auch alle zuhörten. »Victor Meisned«
Das war in der Tat eine Neuigkeit. Rath ärgerte sich: Ihm hatte Meisner das natürlich nicht erzählt, gestern nicht und auch nicht vor einer Woche.
»Soll Betty-Winter-Bühne heißen, das Theater«, meinte Czerwinski, »nicht sonderlich originell, bestimmt aber geschäftsfördernd.«
»Danke, Herr Kollege. Darauf werden wir gleich bei seiner Vernehmung eingehen«, sagte Gennat. »Also dann: an die Arbeit!«
Rath hatte noch ein bisschen Zeit, bis er an der Reihe war, und ging in sein Büro. Lieber den Kaffee von Erika Voss trinken als die Brühe in der Mordbereitschaft. Rath setzte sich an den Schreibtisch, nippte ab und zu an der dampfenden Kaffeetasse, zündete eine Zigarette an und dachte nach.
Gennat hatte sein Gesprächsprotokoll in Sachen Meisner längst auf dem Tisch liegen; zu spät, um da noch irgendetwas von einer Betty-Winter-Bühne hineinzumogeln. Nichts mehr zu machen, das gäbe wohl die nächsten Minuspunkte beim Buddha. Vielleicht konnte er es im Verhör wieder rausreißen. Er musste Meisner derart in die Ecke drängen, dass dem Mann gar nichts anderes übrig blieb, als zu gestehen. Rath drückte die Zigarette aus und
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