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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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eigentlich, wo Sie hier sind! ?« So laut hatte Rath den Buddha noch nicht erlebt.
    »Ich weiß, das war ein Fehler, Herr Kriminalrat. Es war einfach ... Ich wollte nicht, dass ich mich nach der Ermittlungsgruppe Winter auch noch von der Ermittlungsgruppe Franck verabschieden kann.«
    »Haben Sie denn die Konsequenzen Ihres Handelns nicht bedacht? Was meinen Sie, wovon Sie sich jetzt alles verabschieden können? Spätestens als Böhm Sie anwies herauszufinden, welchen Privatermittler Oppenberg beauftragt hat, hätten Sie Farbe bekennen müssen ... «
    »Das war nicht so einfach, Herr Kriminalrat. Ich und Oberkommissar Böhm ... «
    »Wer sagt denn, dass so was immer einfach sein muss! Haben Sie im Ernst geglaubt, Sie kommen damit durch? Eben vor Oppenbergs Vernehmung hat Böhm mir diese tolle Neuigkeit serviert. Er wollte sie sogar morgen vor versammelter Mannschaft verkünden, weil er meint, diese Information gehöre in die Ermittlungen, aber das habe ich unterbunden.«
    »Danke, Herr Kriminalrat.«
    »Nicht Ihnen zuliebe! Bilden Sie sich das nicht ein! Allein weil es zur Sache nichts beiträgt und ein solcher Skandal die Kollegen nur von der Arbeit abgelenkt hätte.«
    »Und jetzt, Herr Kriminalrat?«
    »Es ist Ihnen wohl klar, dass Sie an den laufenden Fällen nicht mehr weiterarbeiten können. Sie sind bis auf Weiteres beurlaubt. Was sonst noch auf Sie zukommt, das wird das Disziplinarverfahren ergeben.«
    »Kann man da nicht noch mal ein Auge zudrücken und das anders regeln?«
    »So viele Augen kann ja kein Mensch haben, wie man Ihretwegen zudrücken müsste! In der Angelegenheit mit dem Kollegen Brenner sind Sie noch einmal um Haaresbreite an einem Verfahren vorbeigeschlittert, aber jetzt haben Sie Ihr Glück überstrapaziert.«
    »Jawohl, Herr Kriminalrat.«
    »Wissen Sie, was mich an der Sache am meisten ärgert?« »Nein, Herr Kriminalrat.«
    »Dass sie so unnötig ist! Sie sind ein fähiger Kriminalist, aber Sie bringen sich mit solchen Kapriolen immer wieder unnötig selbst in Schwierigkeiten!« Gennat klappte die Akte zu, die auf seinem Schreibtisch lag, und Rath erkannte, dass es seine Personalakte war. »Na, in den nächsten Tagen haben Sie ja genügend Zeit, über all diese Dinge nachzudenken! Auf Wiedersehen!«
    Das war's also. Auf dem Weg zurück kam ihm der graue Gang der Inspektion A so fremd vor wie eine andere Welt, obwohl er ihn schon hundertmal hinuntergegangen war. Selbst der Name auf der Bürotür schien nicht mehr zu ihm zu gehören, obwohl da immer noch Gereon Rath stand. Er ging einfach weiter, er konnte da jetzt nicht rein. Äußerlich schienen die Dinge die gleichen zu sein, aber augenscheinlich waren sie es nicht mehr, irgendeine böse Macht hatte alles Vertraute herausgesogen, sodass ihm nun alles in seiner ganzen unverstellten Fremdheit entgegentrat. Er kannte dieses Gefühl, und er hasste es. Damals, als Severin ohne Vorwarnung einfach nicht mehr nach Hause gekommen war, hatte er es zum ersten Mal gespürt, wenige Jahre später wieder, als ein Feldgendarm die Nachricht von Annos Tod gebracht und Mutter nicht einmal hatte weinen können und genauso schweigend getrauert hatte wie ihr Sohn und wie ihr Mann. Und dann vor gut einem Jahr, als die vertraute Kölner Welt zusammengebrochen und ihm selbst seine Vaterstadt fremd geworden war.
    Und jetzt das Ende. Das Aus für seinen doch recht hoffnungsvollen Neuanfang in Berlin.
    Warum hatte er Böhm nichts gesagt? Er hätte sich denken müssen, dass die Sache nicht gut gehen konnte! Er hatte so viele gefährliche Feuer entfacht, dass er gar nicht mehr mit dem Austreten nachkam. Wenn sie jetzt noch herausfinden sollten, dass er am Funkturm gewesen war, an Krempins Leiche, na dann gute Nacht! Mit einem Verweis oder einer Kürzung der Bezüge wäre es dann bestimmt nicht getan.
    Dann würde er wirklich Privatdetektiv werden müssen. Wie Charly es ihm schon vor einem Jahr empfohlen hatte.
    Charly!
    Er blieb stehen und schlug mit der Faust vor die Wand. Ein Bürobote, der gerade um die Ecke bog, schaute ihn irritiert an, sagte aber nichts, sondern schlich ängstlich geduckt vorüber.
    Was soll ich in dieser Scheißstadt, dachte er, was soll ich in dieser Scheißstadt! ?
    Hol deine Sachen und verschwinde! Fahr nach Köln, oder noch besser:
    Fahr nach New York!
    Rath drehte wieder um und ging den Gang zurück bis zu seinem Büro. Er brauchte einen Moment, um sich wieder halbwegs in den Griff zu kriegen, bevor er die Türklinke griff. Er atmete noch

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