Der stumme Tod
reich zu sein.
»Auf Ihren Urlaub«, meinte der Hausherr, und Rath hob sein Glas. Er hatte noch nie besseren Armagnac getrunken.
»Sie machen mich neugierig, Herr Kommissar«, sagte Marquard. »Warum sind Sie also hier?«
»Es geht um Yangtao, die chinesische Stachelbeere. Etwas sehr Exotisches ... «
»Yangtao? Eine Delikatesse. Da haben Sie sich vielleicht doch an den richtigen Experten gewandt. Sie müssen wissen, mein Koch ist Chinese. Aber woher kennt ein Polizist eine solch exotische Frucht?«
»Rein dienstlich. Obwohl ich sie kürzlich einmal probiert habe und sagen muss, dass sie mir sehr gut schmeckt.«
»Yangtao kennen nicht viele in Berlin. Es sei denn, sie gehen öfter mal chinesisch essen und haben den Mut, etwas Unbekanntes zum Dessert zu bestellen.«
»Sehen Sie, genau das habe ich mir gedacht. Dass Yangtao in dieser Stadt nicht so weit verbreitet ist wie - sagen wir: Buletten.« »Ein komischer Vergleich, aber in der Sache liegen Sie richtig.« »Und genau deswegen könnte es möglicherweise eine Spur sein.
Dinge, die so selten sind, lassen einen immer aufhorchen, wenn sie vermehrt auftauchen. Ich weiß nicht, wie viel Ihnen Herr Oppenberg zu den Mordfällen erzählt hat, in denen wir gerade ermitteln. Morde an Schauspielerinnen. Vivian Franck ist eine davon ... «
» Ein tragischer Fall. Ich habe Frau Franck immer bewundert,
wissen Sie? Das heißt: Ich bewundere sie immer noch.« »Sie ist tot.«
»Ihre Kunst ist unsterblich.« »Ein schwacher Trost.«
»Finden Sie? Ist das nicht der einzige Trost, den wir haben? Die Unsterblichkeit der Kunst?«
»Die meisten trösten sich mit der Unsterblichkeit der Seele. Daran glauben Sie nicht?«
»Seele? Die finden Sie doch auch nur in der Kunst. Am reinsten in der Musik. Aber auch in Gemälden, Büchern, Filmen ... «
»Nur nicht im Tonfilm, wenn ich Sie neulich richtig verstanden habe.«
»Der Tonfilm ist keine Kunst, das ist Spektakel. Er zeigt uns, wie wir sind, und nicht, wie wir sein sollten. Was soll daran Kunst sein?«
Von weit her war ein Scheppern zu hören, dann ein Bellen, und kurz darauf klopfte der Diener an die Tür.
»Was ist denn, Albert?«
»Der Hund des Herrn Kommissar ... Nun, er ist ziemlich unruhig.«
»Sie haben einen Hund? Warum haben Sie ihn denn nicht mit hereingebracht? «
»Ich hielt es für ratsam, dem Herrn Kommissar zu empfehlen, den Hund im Vestibül zu lassen, wegen der Katzen, allerdings hat er ... «
»Quatschen Sie keine Opern, Albert! Bringen Sie das Tier zu seinem Herrchen.«
»Sehr wohl, gnädiger Herr.« Der Diener verschwand wieder.
»Streng genommen bin ich gar nicht sein Herrchen«, meinte Rath. »Ich habe ihn nur zur Pflege. Er gehört einer Schauspielerin. Jeanette Fastré. Kennen Sie die Dame?«
»Natürlich. Das bringt mein Geschäft so mit sich.« »Auch persönlich?«
»Nicht so gut wie ich beispielsweise Vivian Franck kannte. Ich habe sie zwei-, dreimal gesehen.«
»Aber nicht zum Essen eingeladen - so wie neulich Herrn Oppenberg?«
»Nein. Wieso?«
»Frau Fastré hat eine Vorliebe für Yangtao. Ich dachte, vielleicht hat sie die bei einem Essen in Ihrem Hause kennengelernt.«
»Da muss ich Sie enttäuschen. Hat die Fastré etwa auch mit den Mordfällen zu tun, von denen Sie gerade sprachen?« Rath nickte. »Leider. Als Opfer.«
»Davon habe ich noch gar nichts gelesen.«
»Wir wollen keine hysterischen Reaktionen in der Bevölkerung auslösen, deswegen halten wir die Nachricht zurück. Ich darf auch Sie bitten, in dieser Angelegenheit Stillschweigen zu bewahren.« »Selbstverständlich. «
»Die Presse hat die toten Schauspielerinnen Vivian Franck und Betty Winter ohnehin schon in einen Zusammenhang gebracht und spricht von einem Serienmörder, dabei hat der Tod von Betty Winter ganz andere Hintergründe.«
»Wissen Sie denn schon, wer ihren Tod zu verantworten hat?
Dieser Beleuchter, wie es in den Zeitungen stand?«
»Nein. Aber kehren wir zum Anlass meines Besuches zurück, Herr Marquard. Eigentlich wollte ich Ihnen ein paar Fragen stellen und nicht umgekehrt.«
»Natürlich. Entschuldigen Sie.«
»Also: Zurück zum Thema Yangtao ... «
Es klopfte an der Tür, und der alte Diener kam zurück, eine widerwillige Kirie an der Leine hinter sich herschleifend. Erst als sie Rath erschnuppert hatte, gab sie ihren Widerstand auf und lief schwanzwedelnd in den Raum.
»Da bist du ja, meine Süße«, sagte er. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich benehmen!«
»Davon kann
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