Der stumme Tod
perfekt, vielleicht die Beste, die er jemals eingeladen hat.
Er geht nach unten, die Vorbereitungen sind schnell getroffen, die Spritzen aufziehen und die Instrumente fertig machen. Und den Wein präparieren für die Betäubung. Und natürlich einen Film einlegen.
Oben klingelt die Türglocke. Er hört, wie Albert durch die Halle geht.
Das kann sie noch nicht sein, er hat noch ein paar Stunden Zeit.
Kapitel 50
Das Chinahaus hatte wie versprochen ausgeliefert. Der Lieferwagen bog gerade auf die Straße, als Rath den Buick vor der Villa parkte. Er stieg aus dem Auto und nahm den Hund an die Leine. Bevor Kirie wieder Theater machte, nahm er sie lieber mit. Das Haus lag hinter einem Schleier aus Nieselregen, der das Licht aus den Fenstern in Millionen und Milliarden kleinster Tröpfchen auseinandersprühen ließ, und wirkte noch düsterer, als er es von seinem Besuch letzte Woche in Erinnerung hatte.
Während Rath den Weg entlangging, spürte er seine Erregung.
Das Fieber hatte ihn noch immer gepackt; er spürte, dass er ganz nah dran war an irgendetwas. Irgendwo hier gab es eine Verbindung zwischen allen drei Frauen. Der Gedanke ließ ihn nicht los, dass er es eigentlich schon wissen müsste, dass dieser Besuch überflüssig sei, dass er nur ein bisschen nachdenken bräuchte, und schon käme er darauf, was ihn seit seinem Telefonat mit dem Chinahaus so plagte.
»Sei schön brav«, sagte er zu dem Hund, »wir sind jetzt bei feinen Leuten!«
Kirie machte Sitz, und Rath klingelte.
Es dauerte etwas, dann öffnete der weiß haarige Diener, den er schon kannte. Viel Personal schien Marquard trotz seines Geldes nicht zu haben. Der Alte gehörte doch längst in den Ruhestand! Aber seine Arbeit erledigte er so, wie man es von einem Diener erwartete.
»Sie wünschen?«, fragte er und guckte arrogant. »Ich würde gern Herrn Marquard sprechen.« »In welcher Angelegenheit?«
»In einer kriminalpolizeilichen.« Rath zeigte seine Marke. Ob der Alte ihn wirklich nicht wiedererkannte? Oder gehörte Begriffsstutzigkeit auch zu den Dingen, die man von einem Diener erwartete?
Diesmal ließ der Mann ihn wenigstens nicht vor der Tür stehen. Rath durfte gleich in der großen Halle warten, die sie hier Vestibül nannten, und der alte Diener verschwand durch eine der großen Flügeltüren im Inneren des riesigen Hauses. Kirie schnüffelte derweil an einer auf alt getrimmten Ritterrüstung, die wahrscheinlich nicht mehr als dreißig Jahre auf dem Buckel hatte. Der Hund wirkte ziemlich aufgeregt, seit sie das Haus betreten hatten. Für eine Hundenase gab es in dieser Umgebung bestimmt viel zu entdecken.
Nach zwei Minuten kam der Diener zurück.
»Der gnädige Herr kann Sie empfangen«, sagte er. »Aber er lässt Ihnen ausrichten, dass er leider nicht viel Zeit für Sie hat. Also fassen Sie sich bitte kurz.«
»Hätten Sie mich vorhin gleich vorgelassen, wäre ich schon wieder weg«, sagte Rath, was dem Alten nur eine hochgezogene Augenbraue wert war.
»Ich darf Sie bitten, den Hund im Vestibül zu lassen«, sagte er und schaute Kirie an, als habe der Hund die Tollwut.
Rath band die Hundeleine an eine Hellebarde, die einer Ritterrüstung Stabilität verlieh, und beugte sich zu Kirie.
»Schön brav«, sagte er. »Denk daran, was ich dir draußen gesagt habe.«
Er folgte dem alten Diener durch mehrere Zimmer - fast alle mit Kamin, einige sogar mit Wandteppichen - in einen kleinen Salon, dessen große Spitzbogenfenster einen fantastischen Ausblick auf den See ermöglicht hätten, wenn der Nieselregen mit seinen Schleiern nicht gewesen wäre. Eine Tür führte auf eine kleine Terrasse.
Wolfgang Marquard erwartete ihn an einem kleinen dunklen Holztisch, auf dem bereits eine Flasche Armagnac und zwei Gläser standen. Der Hausherr erhob sich, als Rath eintrat, und kam ihm ein paar Schritte entgegen.
»Herr Kommissar«, sagte er und schüttelte Rath die Hand. »Das letzte Mal brachten Sie keine guten Nachrichten in dieses Haus. Ich hoffe ... Es ist doch nichts mit Oppenberg?«
»Ich kann Sie beruhigen. Keine schlechten Nachrichten. Nur ein paar Fragen zu einer kleinen, unscheinbaren Frucht.«
Marquard schenkte sich ein wenig Armagnac ein. »Ich würde Ihnen gerne auch ein Glas anbieten, aber Sie sind sicher im Dienst.« »Streng genommen bin ich schon im Urlaub. Schenken Sie ruhig ein. Ein Glas trinke ich.«
Marquard reichte ihm ein Glas mit der bronzenen Flüssigkeit.
Rath schwenkte und schnupperte. Es hatte seine Vorzüge,
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