Der stumme Tod
einmal tief durch, setzte sein bestes Lächeln auf und trat ein.
Erika Voss tippte gerade etwas in die Maschine, er hatte nicht die leiseste Ahnung was.
» Machen Sie doch mal etwas früher Schluss, Erika, ich brauche Sie heute nicht mehr.«
Sie schaute überrascht und hörte sofort auf zu tippen. » Das aber nett, Herr Kommissar. Dann kann ich noch ein bisschen einkaufen gehen!«
»Tun Sie das! Gönnen Sie sich mal was Schönes.«
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Sie hing schon mit einem Arm im Mantel, aber sie ging noch ran.
»Für Sie, Herr Kommissar«, sagte sie und hielt die Sprechmuschel zu. »Chinahaus, hat der Mann gesagt. Wollen Sie eine Ming-Vase kaufen?«
»Wahrscheinlich wegen dieser Yangtao-Sache. Stellen Sie's doch bitte rüber.«
Sie erledigte ihre letzte Diensthandlung des Tages gewissenhaft, dann verabschiedete sie sich und rauschte durch die Tür.
Rath setzte sich an seinen Schreibtisch und hob ab. Er erkannte die Stimme wieder. Der freundliche Chinese von der Kantstraße. »Sie haben mich doch gebeten, Bescheid zu sagen, Herr Kommissar!«
»Ja, natürlich.« Rath merkte, dass er nicht gerade euphorisch klang. »Was gibt's denn?« »Der Mann war wieder da.« »Welcher Mann?«
»Der Deutsche, der regelmäßig Yangtao kauft.« »Ah, ja. Sehr schön.«
»Hat nicht nur Yangtao gekauft, auch andere chinesische Spezialitäten. Pilze, Bambussprossen, Glasnudeln und noch mehr.« »Haben Sie seine Adresse?«
Der Chinese ließ ein listiges Lachen hören. »Für die Anlieferung.
Wie Sie gesagt haben.«
»Moment, ich lege mir eben etwas zum Schreiben zurecht ... « Rath griff nach einem Zettel und nach einem Bleistift und klemmte den Hörer ein, um die Hände frei zu haben. Der Chinese diktierte, und Rath schrieb mit.
Erst als er wieder aufgelegt hatte, wurde ihm bewusst, dass er die Adresse kannte.
Er spürte, wie seine Gedanken zu jagen begannen, dieses fiebrige Gefühl, das ihn meist überfiel, wenn er kurz davor war, neue Zusammenhänge zu entdecken, wenn er sie schon spürte, aber noch nicht greifen konnte. Das Fieber hatte ihn gepackt und ließ ihn sogar für einen Moment vergessen, dass Gennat ihn in die Wüste geschickt hatte. So blöd, wie Böhm es immer darstellte, war die Sache mit den Yangtao vielleicht doch nicht!
»Komm, Kirie«, sagte er, »noch ein kleiner Ausflug zum Wannsee, bevor es nach Hause geht. Und dann machen wir Ferien.«
Kapitel 49
Warum steht noch immer nichts in der Zeitung? Er weiß, dass sie die Fastré gefunden haben, sie waren im Kino am Sonntag, Lehmann hat erzählt, dass die Polizei dort war. Er wusste natürlich nicht warum, Lehmann, der Idiot, aber das spielt auch keine Rolle: Wenn sie dort waren, ganz gleich aus welchem Grund, müssen sie die Fastré gefunden haben!
Und warum kann er das nicht lesen? In allen Zeitungen der Stadt müsste es stehen! Über die Franck haben sie doch alle geschrieben, warum nicht über die Fastré?
Wann schreiben sie endlich? Die Welt muss doch erfahren, was geschehen ist und warum es geschehen ist, alle müssen es erfahren! Müssen verstehen, um was es geht! Damit es endlich aufhört! Er kann sich doch nicht um alle kümmern, nicht um jede Einzelne!
Sie müssen es endlich begreifen, sonst werden es immer mehr.
Immer mehr, die dem Film seine Schönheit und seine Reinheit nehmen. Die sich selbst ihre Schönheit und Reinheit nehmen.
Und nur er, der ihnen beides wieder zurückgeben kann.
Aber er kann sich nicht um alle kümmern, das müssen sie doch verstehen! Sie müssen endlich aufhören damit!
Oder liegt es an ihm, muss er einfach schneller sein? Darf er sich nicht so viel Zeit lassen? Nicht so lange warten?
Er hat sie für heute eigentlich nur zum Essen eingeladen, für ein Gespräch, sonst nichts vorbereitet, Albert nicht freigegeben. Aber muss er wirklich erst mit ihr sprechen, um zu wissen, was zu tun ist? Er hat sie doch gehört, hat erlebt, wie sie den Zauber ihres eigenen Bildes zerstört hat. Grauenhaft, was sie ihm da ins Kopierwerk geschickt haben!
Wenn sie von der Leinwand leuchtet, ist sie die vollkommene, lichtgewordene Frau - und dann zerstört sie alles, weil sie den Mund aufmacht und die Lautsprecher beginnen zu kratzen und zu krächzen. Er hat sich die Ohren zuhalten müssen, so schlimm war es. Warum tut sie ihm das an? Warum tut sie sich das an?
Sein Entschluss ist gefasst. Heute noch soll es geschehen! Keine Zeit verlieren, er muss weitermachen, sonst werden es zu viele! Sie ist
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