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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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einfach hinter dem Steuer und betrachtete den nächtlichen Wilhelmplatz. Bis auf ein paar Passanten, die gerade aus der U-Bahn kamen, und die zwei Uniformierten vor dem Kaiserhof war der Platz menschenleer, das Nachtleben spielte sich anderswo ab.
    Rath konnte sich nicht erinnern, Adenauer irgendetwas versprochen oder zugesagt zu haben, doch er spürte das Gewicht des Briefbündels in seiner Innentasche und wusste, dass er einen Auftrag hatte. Einen Auftrag, der ihm den Oberkommissar einbringen könnte.
    Er musste an Kathi denken, die am Luisenufer wartete, und war froh, noch zum Alex fahren zu können. Vielleicht schliefe sie längst, wenn er nach Hause käme, das wäre das Beste. Er ließ den Motor an und fuhr los. Es würde ihm guttun, sich eine Weile mit dem Leben eines anderen zu beschäftigen.
    Was für ein Mensch dieser Glaser sein mochte? Ein Mensch, der einen anderen auf dem Gewissen hat und einfach davonläuft. Dass das keine Lösung war, dürfte er inzwischen erkannt haben, jetzt, wo er in der Burg auf seine Vernehmung wartete. Einer solchen Schuld konnte man nicht entkommen, so schnell und weit man auch lief, niemand wusste das besser als Gereon Rath. Diese Last trug man den Rest seines Lebens mit sich herum.
    Hinter den Bauzäunen des Alexanderplatzes hob sich das Präsidium dunkel in den Nachthimmel. Rote Burg nannten die Berliner den mächtigen Backsteinbau, der den Preußen größer geraten war als das Stadtschloss, aber im Gegensatz zum Schloss immer noch eine Funktion hatte. Die Kollegen nannten ihren Arbeitsplatz einfach nur Burg, ein Name, der irgendwie beruhigte, wie Rath fand, und der irgendwie passte, auch wenn seine alte Wirkungsstätte, das Präsidium in der Kölner Krebsgasse, dessen Bergfried drohend über den Neumarkt ragte, weitaus mittelalterlicher wirkte als das Berliner Polizeipräsidium, dessen Fassade eigentlich Motive der florentinischen Renaissance zitierte. Aber die Preußen schafften es, auch aus filigranen Renaissancemotiven eine abweisende Zwingburg zu bauen.
    Rath parkte den Buick im Lichthof, wo gerade ein Überfallkommando in einen Wagen stieg. Schon im Treppenhaus aber war er wieder allein. Die endlosen Gänge im ersten Stock lagen wie ausgestorben, nur hin und wieder belebt von unbestimmtem Hall, ausgelöst durch Schritte, Stimmen oder zuschlagende Türen. In der Mordbereitschaft hielt nur noch der Spätdienst die Stellung, ein Kommissar und ein Kriminalassistent. Brenner, einer von Böhms Speichelleckern, und Lange, der Neue aus Hannover, erst seit wenigen Wochen in der Burg.
    »'n Abend«, grüßte Rath die Kollegen. »Wo sind denn Czerwinski und Henning?«
    »Hab ich nach Hause geschickt«, meinte Brenner. Das fing ja gut an!
    »Wie kommst du dazu, über meine Leute zu verfügen?«
    »Was heißt: deine Leute? Ich leite den Spätdienst. Und die beiden haben meines Wissens keinen Spätdienst. Unnötige Überstunden gilt es zu vermeiden. Eine Dienstanweisung.«
    »Die beiden arbeiten in meiner Ermittlungsgruppe! Und sie haben einen Tatverdächtigen mitgebracht! Ich hoffe, den hast du nicht auch nach Hause geschickt!«
    »Keine Sorge«, sagte Brenner und grinste ihn an. »Dein Paket sitzt gut verschnürt im Gewahrsam, Kollege Rath.«
    »Na, worauf wartest du dann noch, Kollege Brenner?«, fragte Rath leise und höflich.
    » Worauf?«
    »Schwing deinen Arsch ans Telefon«, zischte er Brenner so unvermittelt an, dass dem das Grinsen verrutschte, »und sorg dafür, dass ich meinen Mann in fünf Minuten vernehmen kann. Spätestens!«
    Brenner griff tatsächlich zum Telefonhörer.
    Rath drehte sich in der Tür noch einmal um. »Und noch was, lieber Kollege«, sagte er, nun wieder freundlich, »wenn du noch einmal über meinen Kopf hinweg über meine Leute verfügst, dann mache ich dir solchen Ärger, dass nicht einmal Oberkommissar Böhm dir noch helfen kann, ist das klar?«
    »An deiner Stelle würde ich nicht so große Töne spucken«, maulte Brenner, ließ sich aber mit dem Zellentrakt verbinden.
    Rath musste ein paar Schritte über den Gang, um in sein Büro zu gelangen, das etwas abseits der übrigen Räume der Inspektion A lag, der einzige Raum, der damals frei gewesen war, als sie ihn zu den Mordermittlern geholt hatten. Es war ziemlich kalt, die Heizung lief auf Sparflamme, den Mantel zog er gar nicht erst aus. Er setzte sich ins Vorzimmer, an den Schreibtisch seiner Sekretärin, und blätterte durch die Personalakte Glaser, die Czerwinski dort nebst Glasers Papieren

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