Der stumme Tod
deponiert hatte. Die Daten stimmten mit denen im Reisepass überein.
Keine zehn Minuten später klopfte es.
Ein Wachmann stand in der Tür und schob einen verschüchterten, blassen Mann in den Raum.
»Hier isser, Herr Kommissar.«
Rath ließ den Uniformierten draußen warten und betrachtete den Mann, den man ihm gebracht hatte. Glaser war an der Tür stehen geblieben und schaute sich unsicher um. Der war reif. Vielleicht ganz gut, dass er eine Weile im Gewahrsam hatte schmoren müssen.
»Setzen Sie sich«, sagte Rath und blätterte in den Papieren. Der Mann schlurfte nach vorn und nahm Platz. Rath ließ ihn noch einen Moment warten, dann sagte er unvermittelt und ohne aufzublicken: »Sie heißen Peter Glaser ... «
»Ja.«
»Geboren am 25. September 1902.« »Ja.«
»Wohnhaft Röntgenstraße 10 in Charlottenburg.« »Ja.«
»Seit dem 1. November 1929 arbeiten Sie als Beleuchter bei der La Belle Filmproduktion in Marien ... «
»Wie?« Der Mann, der bislang wie ein Schluck Wasser auf seinem Stuhl gehockt hatte, richtete sich auf.
»Von schwerhörig steht gar nichts in Ihrer Akte.« »Bin ich auch nicht.«
»Ich habe Sie gefragt, wo Sie arbeiten.«
»Haben Sie nicht.« Die Stimme klang, als sei sie gerade eben wach geworden. »Sie haben mir vorgelesen, wo ich angeblich arbeite. Irgendwas mit Film. Aber das stimmt nicht.«
»Und wie kommt Ihr Name dann in diese Personalakte?«
Glaser zuckte die Achseln und schaute Rath angriffslustig in die Augen, als er weitersprach. »Da müssen Sie den fragen, der die Akte angelegt hat. Meine Personalakte steht bei Siemens und Halske. Ich bin Elektriker im Elmowerk.«
»Wie?«
»Noch mal zum Mitschreiben?« Langsam bekam Glaser Oberwasser. Er hörte sogar auf zu zittern, trotz der Kälte. »Ich arbeite bei Siemens! Im Elektromotorenwerk. Kam gerade von der Schicht, als Ihre Kollegen mich abgefangen haben. Direkt vor der Wohnungstür, mit Handschellen und Pistole und allem Drum und Dran. Hoffe, das haben nicht zu viele Nachbarn mitbekommen. Die Knauf von gegenüber ist ziemlich neugierig.«
Rath schaute in Glasers Reisepass. Der Mann auf dem Foto und der Mann vor ihm waren dieselben, kein Zweifel.
»Hamse den Falschen?«, meldete sich Glaser wieder.
Rath klappte die Papiere zu. »Das werden wir gleich geklärt haben.«
Das gleich geklärt zog sich etwas in die Länge. Rath bewirtete den immer rebellischer werdenden Glaser mit heißem Tee, bis der Wachmann nach einer sich endlos hinziehenden Dreiviertelstunde endlich einen reichlich derangiert wirkenden Heinrich Bellmann durch die Tür schob. Schon am Telefon hatte Bellmann einen nicht ganz nüchternen Eindruck gemacht, jetzt wehte seine Fahne durch den ganzen Raum.
»Guten Abend, Herr Kommissar«, sagte der Filmproduzent, sichtlich um Haltung bemüht. »Wusste nicht, dass Sie auch mitten in der Nacht arbeiten.«
»Bitte!« Rath schob ihm einen Stuhl an den Schreibtisch, und Bellmann setzte sich.
»Entschuldigen Sie meinen Zustand, hab ein bisschen zu viel ...
Ist sonst nicht meine Art ... Aber Bettys Tod ... Bin auch nur ein Mensch!«
»Schon gut«, meinte Rath. »Wollen Sie meinen Gast nicht begrüßen?«
Bellmann schien Glaser erst jetzt zu bemerken.
»Angenehm«, sagte er und streckte seine Rechte über den
Schreibtisch, »Bellmann. «
»Glaser«, sagte er andere und schüttelte die dargebotene Hand. »Sie kennen den Mann nicht?«, fragte Rath.
»Nein«, sagte Bellmann irritiert, »sollte ich?«
»Das ist Peter Glaser.«
»Wie?«
»Ihr Beleuchter.«
»Blödsinn. Ich kenn doch meine Leute!«
»Haben Sie das Foto mitgebracht, um das ich Sie gebeten habe?«
»Sicher.« Bellmann griff in sein Jackett. »War gar nicht so einfach. Ist von der Weihnachtsfeier«, sagte er und hob entschuldigend die schweren Schultern.
Das Foto zeigte einen gut aussehenden Mann mit Punschglas, der fröhlich in die Kamera lächelte und eine Frau umarmte. Den Mann hatte Rath noch nie gesehen, dafür aber die Frau: Betty Winter! In seinem Kopf klingelten leise, aber penetrant die Alarmglocken.
»Hier«, sagte Bellmann und klopfte auf das Foto, »das ist Glaser.
Hat sich mit Betty gut verstanden. Besonders an diesem Abend.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Dass sie nicht mehr da ist, meine ich.«
Peter Glaser hatte schon die ganze Zeit neugierig auf das Foto geschielt. Nun wurde sein Hals immer länger, die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf.
»Mensch, ich glaub's nicht«, sagte er.
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