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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Seite.«
    Dieser Brief sah nicht aus wie ein Plakat, hier stand auch viel mehr Text. Schreibmaschinenschrift, allerdings ebenfalls in Rot, genau wie das Selbstgemalte. Rath las: Wäre es nicht bedauerlich, wenn die Welt erfahren würde, was am Rande der Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bank zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern Adenauer und Blüthgen sowie Bankdirektor Brüning besprochen wurde?
    »Was soll das heißen?«
    »Dat heißt vor allem eins: Da weiß jemand jenau Bescheid«, sagte Adenauer. »Finden Se heraus, wer dat is und machen Se ihm klar, dat nit ich, sondern er ins Jefängnis wandert, wenn von irjendwelchen vertraulichen Jesprächen auch nur ein Wort an die Öffentlichkeit dringt!«
    »Wie stellen Sie sich das vor? Ich bin Polizist, ich ... «
    »Eben. Da wissen Se doch, wie Se so eine Sache anjehen! Et soll Ihr Schaden nicht sein, lieber Freund. Ich hab immer noch ein jutes Verhältnis zu Ihrem Polizeipräsidenten. Mein Wort zählt etwas bei Zörjiebel, jlauben Se mir! Ihr Vater war in Ihrem Alter schon Oberkommissar. Wird Zeit, dat Se ihm nacheifern.«
    »Schwierige Zeiten. Das Innenministerium hat eine Beförderungssperre verhängt ... «
    »Natürlich! Weil Preußen sparen muss! Aber jlauben Sie mir: Et jibt immer Ausnahmen! Auch in diesen harten Zeiten müssen verdiente Männer belohnt werden können. Und sie werden belohnt.«
    Engelbert Rath nickte beipflichtend.
    »Oberkommissar Gereon Rath - das klingt doch gut«, sagte er und hob sein Weinglas. »Auf den nächsten Oberkommissar in der Familie Rath!«
    Gereon hob sein Glas und lächelte, nippte aber nur von dem süßen Zeug. Oberkommissar klang wirklich nicht schlecht. Außerdem müsste er sich dann von einem Affen wie Böhm nichts mehr sagen lassen. Ein Rath sollte sich nicht herumschubsen lassen.
    »Kommissar Rath?«
    Die Stimme des Kellners führte ihm seinen aktuellen Dienstgrad wieder vor Augen. Der Blick des Mannes überflog die Herrenrunde nur kurz, bis klar war, dass die beiden Älteren ausschieden, und blieb bei Gereon hängen. »Herr Rath, Telefon für Sie«, sagte er.
    Es war Czerwinski. Sie hatten Glaser endlich erwischt. Der Beleuchter war abends nach Hause gekommen, und sie hatten ihn nur noch mitnehmen müssen.
    »Der Mann sitzt jedenfalls schön verpackt am Alex und wartet auf dich«, sagte der Kriminalsekretär, »dachten, du willst ihn dir vielleicht heute noch vornehmen. Hoffe, wir stören nicht. Deine Freundin war so nett, uns zu verraten, wo du deine Abende verbringst.«
    Rath war kurz davor, den Dicken wegen dieser Respektlosigkeit anzuschnauzen, doch er riss sich zusammen. Immerhin hatte Czerwinski gute Arbeit geleistet. Das kam selten genug vor.
    »Bin gleich bei euch«, sagte er nur und legte auf.
    »Der Dienst«, entschuldigte er sich, als er mit Hut und Mantel an den Tisch zurückkehrte, »duldet leider keinen Aufschub.«
    Er reichte dem Indianer im Frack die Hand. »Vielen Dank für die Einladung, Herr Adenauer«, sagte er, obwohl er den süßen Wein kaum angerührt hatte.
    »Warten Sie! Nehmen Sie die Briefe mit!« Adenauer reichte ihm das Bündel über den Tisch, und Rath steckte es ein.
    »Na dann, mein Junge«, sagte Engelbert Rath, der aufgestanden war, um den Sohn zu verabschieden. Der Kriminaldirektor versuchte so etwas wie eine Umarmung, die jedoch missglückte. Ungelenk reichte der sonst so souveräne Engelbert Rath seinem Sohn die Hand. »Mach's gut. Du findest doch allein raus, oder? Ich habe noch etwas mit dem Herrn Oberbürgermeister zu besprechen.«
    »Schon gut, Vater.« Gereon räusperte sich. »Sehen wir uns morgen?«
    Das Gesicht des Kriminaldirektors fror ein. »Mutter '" wir... «, stammelte er. »Also ... Ich habe deiner Mutter versprochen, sie nicht zu lange allein zu lassen. Ich nehme den Nachtzug.«
    »Keine Sekunde länger als nötig in Berlin, die Herren, was?« Die Worte sollten seine Enttäuschung überspielen, aber das dazu passende Lächeln gelang ihm nicht. So sehr ihn der unangekündigte Besuch seines Vaters geärgert hatte, so sehr verletzte ihn die Erkenntnis, dass Engelbert Rath - mitten im Karneval - nur nach Berlin gekommen war, um seinem alten Freund Konrad einen Gefallen zu tun. Aber er kannte seinen Vater - wie konnte er da anderes erwarten?
    »Na dann, gute Heimreise«, sagte er und ging, ohne sich noch einmal umzuschauen, zum Ausgang, lief die Treppe hinunter und hinaus in den Regen. Draußen atmete er tief durch, bevor er sich in seinen Wagen setzte. Er saß eine Weile

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