Der stumme Tod
»Det is ja der Felix! Wat machten der neben der Winter?«
Die Sache war schnell geklärt: Bellmanns verschwundener Beleuchter hieß Felix Krempin, hatte sich offenbar der Identität seines ahnungslosen Freundes Peter Glaser bedient, um bei der La Belle Filmproduktion anzuheuern. Denn eigentlich arbeitete Krempin als Produktionsleiter, wie Glaser zu berichten wusste, als Produktionsleiter bei der Montana-Film.
Heinrich Bellmann war an die Decke gegangen, kaum hatte Glaser den Namen Montana genannt. Der Produzent war kaum zu beruhigen, trotz oder gerade wegen seines alkoholisierten Zustandes, fortwährend sprach er von Spionage und Sabotage und Schlimmerem. »Diese Verbrecher! Ich hätte es mir denken sollen! Schrecken nicht einmal vor Mord zurückt«
Rath rief den Wachmann herein, der den schimpfenden Bellmann nach draußen begleitete. Noch durch die geschlossene Tür hörten sie den Produzenten fluchen, während Rath den Elektriker so zügig es eben ging zu seinem Freund befragte. Rath notierte noch Krempins Adresse, dann ließ er Peter Glaser nach Hause bringen.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Rath zum Abschied. »Und nichts für ungut. Aber Ihr Freund scheint Ihnen - und uns - einen üblen Streich gespielt zu haben.«
Ein Streich? Genau dieser Ansicht war Bellmann überhaupt nicht. Der Produzent hatte sich zwar einigermaßen beruhigt, als er das Büro wieder betrat, an seinen Vorwürfen änderte das aber nichts. Immerhin konnte er seinen Verdacht nun etwas konkretisieren. Demnach hatte die La Belle mit der Montana schon des Öfteren Ärger gehabt, der einige Male sogar vor Gericht endete. Plagiatsvorwürfe waren da noch das Wenigste; es ging um das Abwerben von Künstlern, das Sabotieren von Premieren und jede Menge andere schmutzige Tricks, die Bellmann seinem Konkurrenten vorwarf - oder um ähnlich gelagerte Vorwürfe, »allesamt an den Haaren herbeigezogen«, wie Bellmann es ausdrückte, mit denen ihrerseits die Montana den La-Belle-Chef »vor den Richter gezerrt hatte«. Eine lange Liste also, zu der nun, so sah es jedenfalls der aufgebrachte Heinrich Bellmann, auch die Sabotage von Dreharbeiten und die Ermordung seiner wichtigsten Schauspielerin gekommen war.
Mord als ultimatives Mittel der Sabotage, das schien Rath denn doch ein wenig hoch gegriffen, aber er konnte die Wut des Filmproduzenten verstehen. Es musste einen Grund geben, dass Krempin unter falschem Namen bei der La Belle angeheuert hatte. Der Mann war eine Sache für die Fahndung.
Rath war todmüde, aber der Jagdinstinkt in ihm wurde wach. Gleich morgen früh würde er der Montana auf den Zahn fühlen, bevor Böhm Gelegenheit fand, ihn zurückzupfeifen. Damit war zu rechnen, denn der Fall war offensichtlich interessanter, als die Bulldogge gedacht hatte.
Die Fahndung nach Felix Krempin lief bereits, als Rath noch einmal die Mordbereitschaft betrat, aber Brenner und Lange waren schon ausgeflogen. Stattdessen saß ein dicker Mann am Schreibtisch und hatte sich in die Akten vertieft.
»Herr Kriminalrat! «
Der Dicke schaute auf. »Rath! Was machen Sie denn noch hier?
Machen Sie sich keine Hoffnungen! Mein Bett kriegen Sie nicht, das brauche ich selber!«
Es kam öfter vor, dass der Buddha im Präsidium übernachtete. Direkt neben seinem Büro, das eher einem Wohnzimmer glich, stand ein Bett in einer kleinen Kammer.
»Schön, Sie mal wieder hier zu sehen, Herr Kriminalrat«, sagte Rath. »Gerade aus Düsseldorf gekommen?«
Gennat nickte. »Und irgendwie führt mich der Weg vom Bahnhof immer geradewegs zum Alex. Komisch, nicht wahr? Ich hätte heiraten sollen, dann würde mir das nicht passieren.«
»Oder gerade«, meinte Rath. »Wie gehen Ihre Ermittlungen denn voran?«
»Fragen Sie nicht! Sie glauben nicht, wie viel wir zusammengetragen haben, wie viele Hinweise aus dem Düsseldorfer Publikum uns erreicht haben, wir wissen mittlerweile ziemlich genau, wie die einzelnen Morde verübt wurden, aber hat es uns einen Schritt weitergebracht?«
Gennat holte eine B.Z. aus seiner Ledertasche und faltete sie umständlich auseinander. »Sie waren ja inzwischen auch nicht faul, wie man lesen kann«, sagte er und legte die Zeitung vor Rath auf den Tisch. »Die habe ich mir eben am Bahnhof gekauft. Können Sie mir das erklären?«
Rath starrte auf die Zeitung. Eine Sonderausgabe der B.Z. am Mittag. Mit einer fetten Schlagzeile auf Seite eins.
Tod im Film-Atelier! Betty Winter von Scheinwerfer erschlagen! Sabotage?
Und dazu zwei Fotos,
Weitere Kostenlose Bücher