Der stumme Tod
ein perfektes Porträt von Betty Winter und eine leicht verwackelte Aufnahme, die Gereon Rath vor der Kulisse eines Filmateliers zeigte. Im Hintergrund konnte man sogar einen Teil der zugedeckten Leiche erkennen - vorausgesetzt man wusste, dass es die Leiche war.
»Da gibt es nicht viel zu erklären«, meinte Rath achselzuckend. »Eine Schauspielerin ist gestorben, und ihr Produzent wollte damit in die Schlagzeilen. Die Leiche war noch nicht kalt, da hat er schon eine Pressekonferenz veranstaltet.«
»Und Sie haben ihm geholfen, in die Schlagzeilen zu kommen.
Oder warum werden Sie hier zitiert?«
»Die Meute war nun einmal da und hatte Blut geleckt. Ich habe sämtliche Journalisten umgehend vom Tatort entfernen lassen, aber eine Pressekonferenz kann die Polizei niemandem verbieten. Der Kollege Gräf und ich haben daran teilgenommen, um die Kontrolle zu behalten«, meinte Rath. »Damit die Spekulationen nicht allzu wild ins Kraut schießen.«
»Na, das ist Ihnen ja prima gelungen.«
Rath überflog den Text und stellte fest, dass Bellmanns Sabotagetheorie hier schon breitgetreten wurde. Dabei hatte der Produzent auf seiner Pressekonferenz nichts dergleichen gesagt. Aber der Journalist wusste offensichtlich von dem Kleinkrieg mit der Montana auch wenn dieser Name kein einziges Mal genannt wurde. Rath schluckte, als er feststellte, dass seine eigenen Äußerungen so geschickt in den Text gefügt waren, dass es sich anhörte, als vertrete auch die Polizei offiziell die Sabotagetheorie.
»Nichts davon habe ich in irgendeiner Weise autorisiert«, schimpfte er.
Gennat nickte. »Schon gut, schon gut, lieber Rath, das unterstellt Ihnen ja auch niemand. Sie sollten nur höllisch aufpassen im Umgang mit der Hauptstadtpresse. Die Reporter dort können der Polizei sehr nützlich sein, man darf sich nur nicht der Illusion hingeben, sie unter Kontrolle halten zu können.«
»Ich wäre ja schon froh, wenn ich sie mir manchmal vom Hals halten könnte.«
»Nehmense's man nicht so schwer«, meinte Gennat. »Erzählen Sie mir doch mal mit Ihren Worten, was da in diesem Filmatelier passiert ist. Betty Winter ist ja nicht irgendwer. Böhm hat nur etwas von einem tödlichen Unfall notiert, mit dem er Sie betraut hat.«
Rath berichtete kurz und knapp. Bis hin zu dem falschen Beleuchter.
»Der falsche Name und die Flucht machen den Mann jedenfalls höchst verdächtig«, schloss er. »Alles deutet mittlerweile tatsächlich auf Sabotage hin. Die Winter sollte vielleicht nicht unbedingt sterben, aber wie es aussieht, wollte irgendjemand sie zumindest schwer verletzen, und das mit voller Absicht. Und ihren Tod hat dieser Jemand billigend in Kauf genommen, sonst lassen Sie nicht so einen riesigen Scheinwerfer auf einen Menschen fallen. Und im Moment sieht es so aus, als heiße dieser Jemand Felix Krempin.«
Gennat nickte. »Hört sich ja interessant an«, sagte er. »Und auch ganz plausibel. Nur hüten Sie sich vor voreiligen Schlussfolgerungen! Oder lassen die wenigstens nicht an die Öffentlichkeit dringen! Damit sind Sie ja schon einmal schwer auf die Nase gefallen. «
»Fehler sind dazu da, um aus Ihnen zu lernen, Herr Kriminalrat.«
»Wo ham Se denn das her? Lernt man das heute auf der Polizei-
schule?«
»Mein Vater, Herr Kriminalrat.«
»Ein schlauer Mann, Ihr Herr Vater. Polizist, nicht wahr?« Rath nickte. »Kriminaldirektor. «
»Dann folgen Sie seinem Rat und erzählen der Presse nicht zu viel. Teilen Sie Ihre Erkenntnisse lieber mit uns. Mit der Inspektion A.«
Gennat schaute ihn streng an. Rath wusste, dass der Buddha ihn schätzte. Und dass er von Eigenmächtigkeiten nichts hielt.
»Wie lang bleiben Sie noch in Berlin?«
» Bis Mittwoch. In Düsseldorf ist es jetzt ohnehin nicht auszuhalten.« Gennat seufzte. »Karneval. Zörgiebel mag diesem Helau ja etwas abgewinnen, für mich ist das nichts.«
»Der Polizeipräsident ist Mainzer«, sagte Rath. »Und Sie? Sind Sie nicht auch Rheinländer?«
»Kölner«, sagte Rath. »Da sagt man Alaaf statt Helau. Aber danke der Nachfrage, ich verzichte dieses Jahr gern auf das Spektakel. Hierzulande geht's da ja um einiges ruhiger zu.«
»Na, Faschingsbälle gibt's dieses Wochenende auch in Berlin mehr als genug, sollten Sie Heimweh verspüren.«
Bevor Rath etwas erwidern konnte, klingelte das Telefon. Gennat ging ran.
»Ja.« Der Buddha nickte. »Kommissar Rath ist noch hier. Kleinen Moment.« Er reichte den Hörer weiter. »Die Fahndung«, sagte er. »Sieht so aus, als
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