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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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hatte ruhig geschlafen, dennoch war er vor der Zeit aufgewacht, der Wecker auf dem Nachttisch musste jeden Moment klingeln. Rath hakte den Alarm fest und stand auf. Um halb sieben saß er vor einer Tasse Kaffee am Küchentisch und dachte nach. Aus dem Wohnzimmer perlte leise das Klavier von Duke Ellington herüber. Er hatte sein Notizbuch aufgeschlagen und schrieb auf, was er den Tag über abarbeiten wollte. Er brauchte einen vollen Terminkalender. Gerade heute. Rosenmontag. Kölle Alaaf.
    Sein erster Rosenmontag in Berlin, und er freute sich, dass er genug Arbeit hatte. Er trank noch eine zweite Tasse Kaffee und rauchte eine Zigarette, dann brach er auf. Auf dem Weg nach Schöneberg steuerte er die Tankstelle an der Yorckstraße an und ließ volltanken. Um halb acht schon war er in der Cheruskerstraße, er hatte überlegt, ob er so früh einfach klingeln konnte, doch bis auf die Mutter war die Familie schon ausgeflogen.
    »Da müssense aber früher aufstehen«, sagte sie. »Um die Zeit ist mein Friedhelm schon unterwegs.«
    Rath gab ihr seine Karte und bat sie, ihrem Mann auszurichten, er möge sich dringend melden. »Sagen Sie ihm, er soll sich mit diesem Anschluss verbinden lassen«, erklärte er und schrieb seine private Telefonnummer auf. »Am besten abends ab achtzehn Uhr.«
    Sie schaute die Buchstaben und Zahlen an wie Hieroglyphen. »Meenense, unsereener kann sich Telefon leisten. Und der Friseursalon unten nimmt zwee Jroschen, der Blum, der Halsabschneider.« Rath wühlte im Kleingeld und fischte fünfzig Pfennige heraus, die er ihr in die ausgestreckte Hand drückte. »Falls Sie sich mal verwählen sollten«, sagte er. »Aber ich kann mich doch auf Sie verlassen, oder? Es ist wichtig.«
    »Sicher, Herr Kommissar.«
    Sie schlug die Tür wieder zu. Raue Schale, rauer Kern, dachte Rath. Aber zuverlässig schien sie zu sein.
    Er hatte ohnehin noch keine Fotos, die er dem Taxifahrer hätte zeigen können, aber die Frage nach dem Gepäck ließ ihn nicht los. Das musste er doch irgendwo hingebracht haben, zwei schwere Koffer hatte er sicher nicht einfach neben Vivian Franck aufs Trottoir gestellt, als sie am Hohenzollerndamm ausgestiegen war.
    Auch in Marienfelde war er schon früh, doch die Hoffnung, allein und in aller Ruhe nach dem Draht suchen zu können, von dem Krempin gesprochen hatte, erfüllte sich nicht. Bei seinem letzten Besuch hatten noch Polizeibeamte Wache geschoben, diesmal fing ihn ein privater Wachhund ab, wie in Babelsberg, allerdings kein uniformierter. Und freundlicher war er auch. Der Mann legte nur seinen Zeigefinger an die Lippen und zeigte auf das Rotlicht über der Tür. Rath nickte und sagte nichts. Dass der Schallschutz in diesem Glashaus nicht perfekt war, wusste er ja bereits. Er zog aber schon einmal seine Polizeimarke, und diesmal nickte der Aufpasser. Rath bot dem Mann eine Overstolz an, und sie rauchten schweigend.
    Ihre Zigaretten brannten noch, da erlosch das Licht über der Tür.
    Rath erschrak beinah, als der Mann, der bislang eisern geschwiegen hatte, plötzlich zu sprechen anfing.
    »Sie können jetzt rein«, sagte er, »aber machen Sie vorher die Zigarette aus. Brandgefahr.«
    Rath nahm noch einen Zug, trat die Kippe auf dem Betonboden aus und ging hinein.
    Es war gespenstisch. Immer noch war die Kulisse des Kaminzimmers aufgebaut, alles wieder aufgeräumt, selbst das Parkett an der Stelle geflickt, an der der schwere Scheinwerfer zu Boden gegangen war.
    Was ihn am meisten irritierte, waren jedoch die beiden Menschen, die am Kamin standen und sich unterhielten. Der Mann trug die gleiche Garderobe wie Victor Meisner drei Tage zuvor, die Frau ein grünes Abendkleid, das genauso aussah wie das, in dem Betty Winter gestorben war.
     
     
    Als Rath näherkam, schnappte er ein paar fremdsprachige Brocken auf und hörte genauer hin. Die beiden Schauspieler unterhielten sich auf Englisch.
    »Das ist aber eine Überraschung! Ich wusste gar nicht, dass Polizisten so früh schon unterwegs sind.«
    Rath drehte sich um. Heinrich Bellmann trat aus dem Dunkel hinter der Scheinwerferfront und kam auf ihn zu. Der Produzent schüttelte ihm die Hand. »Haben Sie Neuigkeiten?«, fragte er. »Lag ich mit meiner Vermutung richtig? Hat Oppenberg seine schmutzigen Finger im Spiel?«
    »Kennen Sie eigentlich Vivian Franck?« »Oppenbergs Flittchen? Was soll die Frage?«
    »Sie kennen sie also. Können Sie mir sagen, wo sie sich derzeit aufhält?«
    »Was hat Oppenberg Ihnen erzählt? Dass ich ihm

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