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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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wenn der Draht den Fluter mit voller Wucht getroffen haben sollte, das hätte niemals gereicht, um die Aufhängung zu zerstören. Niemals!«
    »Zeigen Sie es mir doch einfach.« Rath biss auf die Zähne. Er war wieder kurz davor, mit diesem Mann die Geduld zu verlieren. »Bitte.«
    Lüdenbach drehte sich um, und Rath folgte ihm. Wenigstens ging es nicht wieder hoch auf die Brücken. Der Beleuchter führte ihn zu einer Wand, an der ein großer Hebel angebracht war, eins von diesen riesigen Dingern, mit denen man bei der Eisenbahn Weichen umlegte oder Signale stellte.
    »Max, kommt du mal?«, rief Lüdenbach in die Kulisse, und ein kräftiger Mann erschien auf der Bildfläche. Er trug einen ähnlichen Kittel wie Lüdenbach, wirkte darin aber eher wie ein Metzger.
    "Tach auch«, sagte er, und Rath glaubte den Duisburger Dialekt herauszuhören, in den seine Mutter immer mal wieder zurückfiel, wenn sie wütend oder betrunken war - was beides selten vorkam.
    "Du hast doch gestern Morgen den Draht da oben im Laufgitter gefunden. Der Kommissar interessiert sich dafür. Zeig ihm doch alles. Ich muss zurück an meine Arbeit.«
    Der Mann, den Lüdenbach Max genannt hatte, nickte und streckte Rath seine Hand entgegen, nachdem der Beleuchter verschwunden war.
    "Krieg«, sagte er. "Wie?«
    "So heiße ich. Max Krieg.«
    " Schön, Herr Krieg.« Rath zeigte auf die Konstruktion an der Wand. "Vielleicht können Sie mir erst einmal diesen Hebel erklären«, sagte er. "Ist das der Draht?«
    "Genau genommen ein dünnes Drahtseil« Krieg zeigte auf einen Seilzug, der mit dem Hebel verbunden war und sich, durch kleine Ösen und Rollen geführt, oben im Atelierhimmel verlor, doch Rath konnte nicht erkennen, wohin, er sah nur das bekannte Labyrinth aus stählernen Laufstegen und schweren Stoffbahnen.
    "Damit lösen wir die Donnermaschine aus«, sagte Krieg. "Die brauchen wir häufiger für Liebesgewitter. Ein ganz normaler Theaterdonner, Eisenkugeln, die über Holzlamellen poltern. Im fertigen Film können Sie das von echtem Donner nicht unterscheiden.«
    " Ich dachte immer, so etwas wird später aufgenommen.«
    "Alles was Sie später dazumischen müssen, kostet Zeit und Geld.
    Bellmann ist ein alter Theatermann, er besteht darauf, alles direkt aufzunehmen, was direkt aufzunehmen ist. Donner ist da noch leicht, Schüsse zum Beispiel sind viel schwieriger, da übersteuern die Mikrofone leicht.«
    "Können Sie mir diese Donnermaschine mal zeigen?«
    Der Bühnentechniker führte Rath um ein paar Ecken hinter die Kulissen zu einem großen Holzkasten, der zehn Meter in die Höhe ragte und fast an die Beleuchtungsbrücken heranreichte. Vor dem Kasten waren zwei Mikrofone aufgebaut.
    "Eindrucksvoll, nicht?«, meinte Krieg. "Hat schon an die fuffzig Jahre auf dem Buckel. Aus Bellmanns altem Theater. War 'ne ganz schöne Plackerei, die hier reinzuwuchten. «
    Rath nickte anerkennend.
    »Und wie funktioniert das Monstrum?«
    »Ganz einfach.« Krieg zeigte auf die Spitze des Holzkastens. »Da oben drin sind Eisenkugeln. Und wenn Sie die runterpoltern lassen, dann donnert's.«
    »Und das machen Sie mit dem Schalter dahinten ... « »Richtig.«
    »Und warum ist der nicht direkt bei der Maschine?«
    »Wenn ich den Donner auslöse, muss ich die Szene im Blick haben, es kommt auf den genauen Zeitpunkt an, auf Sekundenbruchteile, gerade bei diesem Drehbuch.«
    »Warum?«
    »Der Donner spielt eine entscheidende Rolle. Die männliche Hauptrolle - wie soll ich das erklären, klingt ein bisschen spinnert ... «
    »Sie glauben nicht, was für verrückte Dinge sich ein Polizist manchmal so anhören muss«, sagte Rath.
    »Ist ja auch nicht meine Idee. Also: Graf Thorwald ist eigentlich Thor, der Donnergott, der sich in eine Frau verliebt hat und sich deshalb im heutigen Berlin unter die Sterblichen mischt. Was natürlich für einige Verwirrung sorgt. Jedenfalls: Immer wenn der Graf - also Thor - besondere Gefühle für die Frau zeigt, wenn er sie das erste Mal anspricht zum Beispiel, wenn sie ihm in die Augen schaut, wenn sie ihn ohrfeigt und so weiter, dann donnert es. Ist jedes Mal ein Lacher. Und in der letzten Szene, wenn sie sich endlich küssen, dann warten alle auf den Donner, aber der bleibt das erste Mal aus. Weil er ihr zuliebe sterblich geworden ist.«
    »Klingt wirklich ein bisschen verrückt.«
    »Ist eine romantische Komödie. Mit einem Schuss Übersinnlichkeit. Bellmann glaubt daran, das ist die neue Welle, sagt er. Deswegen will er Liebesgewitter

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