Der stumme Tod
zog Rath beiseite und führte ihn zur Garderobe. Das Thema behagte ihm offensichtlich nicht - in Gegenwart eines Dritten.
»Wenn Sie mich hier aufsuchen, dann haben Sie bestimmt Neuigkeiten«, sagte er, während er auf seinen Mantel wartete. »Wie man's nimmt. Neu für mich, aber nicht neu für Sie.« Oppenberg schien über Raths Worte nachzudenken, doch dann störte die Garderobiere seine Gedanken und reichte ihm einen schweren Wintermantel mit Pelzkragen samt Lederhandschuhen und einem steifen Hut.
»Lassen Sie uns ins Esplanade gehen«, sagte er, als er den Mantel anzog, »da lässt sich ungestört reden.«
So lange konnte Rath nicht warten.
»Ich habe mit Krempin gesprochen«, sagte er, als sie die Potsdamer Straße überquerten.
»Ah, Sie haben ihn gefunden!«
»Nein, er hat mich gefunden.« Er schaute Oppenbergs Gesicht an, doch in dem war keine Regung zu erkennen. »Er hat mich angerufen.«
»Wo steckt er?«, fragte Oppenberg.
»Keine Ahnung. Jedenfalls nicht mehr in Ihrer Wohnung.« »Wie bitte?«
»Die leer stehende Wohnung in der Guerickestraße. In Ihrem Mietshaus. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie das nicht wüssten!« »Ich schwöre Ihnen, Herr Rath, ich hatte keine Ahnung. Ich besitze mehrere Häuser in dieser Straße. Auch das, in dem Felix wohnt.«
»Hören Sie doch auf! In Ihrem Auftrag hat er die Beleuchtungsanlage manipuliert, da haben Sie ihm auch Unterschlupf gewährt.«
»Ich habe keine Ahnung, wirklich.«
»Herr Oppenberg, Sie haben mich schon einmal angelogen, wie soll ich Ihnen da glauben? Ich kann nur mit Ihnen zusammenarbeiten, wenn ich weiß, dass ich Ihnen vertrauen kann!«
Einige Passanten schauten sich um, Rath war lauter geworden. »Nun beruhigen Sie sich doch«, sagte Oppenberg. »Lassen Sie uns wie erwachsene Menschen darüber reden. Und nicht mitten auf der Straße.« Er nahm Rath am Arm und zog ihn die Bellevuestraße hinunter. »Kommen Sie, wir sind gleich da. Lassen Sie uns erst einmal etwas trinken, dann reden wir über all das in Ruhe.«
Kurz darauf saßen sie im Esplanade in einer Nische der Hotelbar und warteten auf die Flasche Wein, die Manfred Oppenberg gleich beim Eintreten geordert hatte. Man schien den Produzenten hier zu kennen.
»So«, sagte Oppenberg, nun schon wieder aufgeräumter als vorhin auf der Straße. »Dann erzählen Sie mir doch mal in aller Ruhe, was Krempin Ihnen mitgeteilt hat, und warum Sie sich so aufregen.« »Weil Sie gelogen haben. Sie haben Ihren Mann durchaus mit Sabotageabsichten bei Bellmann eingeschleust. Er sollte die Dreharbeiten verzögern.«
»Die Dreharbeiten verzögern, das ist doch keine Sabotage.« »Wie nennen Sie es denn sonst, wenn Sie einen zentnerschweren Scheinwerfer auf eine teure Tonfilmkamera krachen lassen?« Oppenberg schaute überrascht. »Das hatte er vor?«
»Tun Sie nicht so scheinheilig! Sie waren doch eingeweiht, er war in Ihrem Auftrag bei Bellmann! «
»Aber ich versichere Ihnen, von solchen Plänen wusste ich nichts, Felix war vollkommen frei in seinem Handeln. Er sollte die Dreharbeiten verzögern, ja. Aber wie, das war allein seine Sache.« Oppenberg schüttelte den Kopf. »Felix hat alles versucht, hat sich sogar an die Winter rangemacht, aber ... «
»Und als all das nicht half, hat er sich die Sache mit der Kamera ausgedacht! Und Sie nicht informiert?«
»Ich weiß es nicht. Eigentlich war doch sowieso schon alles zu spät. Als ob Bellmann Lunte gerochen hätte, wirft er alles über den Haufen, legt den neuen Abenteuerfilm mit Victor Meisner komplett auf Eis und fängt stattdessen schon an, seine Winterschnulze zu drehen.«
»Und das durfte nicht passieren ... «
»Unser Film soll zuerst in die Kinos, allein darum geht es in dieser Angelegenheit. Vom Blitz getroffen ist eine ganz neue Art von Film, eine göttliche Liebeskomödie, und göttlich ist da wörtlich gemeint. Das Buch habe ich schon vor einem Jahr gekauft. Dann habe ich es im Herbst zu einem Tonfilmmanuskript umarbeiten lassen. Irgendwie muss Bellmann davon Wind bekommen haben und will mir zuvorkommen mit einem seiner Machwerke ... Und jetzt noch die Probleme mit Vivians Verschwinden ... Es ist zum Verzweifeln!«
»Und Sie waren so verzweifelt, dass Sie zur Not sogar das Leben einer Schauspielerin aufs Spiel setzten! Ich habe Sie gewarnt:
Wenn Sie in einen Mord verwickelt sein sollten, werde ich keine Rücksicht mehr auf unsere ... Freundschaft nehmen können. Selbst wenn Sie dann intime Details dieser Freundschaft öffentlich
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