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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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seine drittklassigen Schauspielerinnen ausspanne? Na, vielen Dank! Eine Schlampe wie die Franck, die brauche ich nicht!«
    »Verrucht war ziemlich erfolgreich ... «
    »Weil sie da halbnackt durch die Kulissen hüpft. Das ist doch billig! Betty hatte so etwas nicht nötig! Keine meiner Schauspielerinnen macht so etwas! Wenn Oppenberg die Mädchen weglaufen, dann muss er sie bestimmt nicht bei mir suchen!«
    Rath nickte. Bellmann machte nicht den Eindruck, als wisse er irgendetwas über den Verbleib von Vivian Franck. Zeit, das Thema zu wechseln. »Eigentlich bin ich auch aus einem anderen Grunde hier«, sagte er. »Ich müsste Herrn Lüdenbach noch mal sprechen und mir die Scheinwerferaufhängung da oben etwas genauer ansehen.«
    »Auf die Beleuchtungsbrücken? Das geht aber nicht während des Drehs«, protestierte Bellmann.
    »Richtig. Deswegen werden Sie bestimmt auch nichts dagegen haben, eine kleine Pause einzulegen.«
    »Und wie lange? Sie wissen doch ... «
    » ... Zeit ist Geld«, vollendete Rath den Satz. »Übrigens auch für mich. Lassen Sie uns also gleich beginnen. Wo steckt denn Ihr Oberbeleuchter ?«
    Bellmann verzichtete auf weiteren Protest und winkte Dress1er herbei, der sich gerade mit dem Tonmeister unterhielt.
    »Wir unterbrechen für eine Weile«, instruierte er seinen Regisseur. »Der Kommissar möchte mit Lüdenbach noch einmal auf die Beleuchtungsbrücken. «
    Dressler hatte einen Protest auf den Lippen, schwieg aber, als er Raths Gesicht sah, und verschwand wieder im Dunkel hinter den Scheinwerfern. Die beiden Schauspieler hatten das Parkett inzwischen verlassen und näherten sich neugierig.
    »What's going on?«, fragte der Mann.
    »Short break«, meinte Bellmann und zeigte auf Rath, »because of the Prussian Police.« Er schmückte sein Englisch mit einem starken deutschen Akzent. Als er Raths fragendes Gesicht sah, stellte er den Mann vor. »Keith Wilkins«, sagte er, »männlicher Hauptdarsteller in Thunder of Love.«
    »Nice to meet you«, sagte Wilkins und schüttelte dem Kommissar flüchtig die Hand, bevor er hinter den Kulissen verschwand. Rath vermutete, dass er die unerwartete Pause nutzen wollte, um seinen Kokainpegel ein wenig anzuheben.
    Rath schaute die Frau an wie eine Erscheinung aus dem Jenseits, als sie ihm die Hand entgegenstreckte. Wenn sie auch nicht gerade die Zwillingsschwester von Betty Winter war, entsprach sie dem Typ der Toten doch auf geradezu unheimliche Weise. Nur dass sie jünger war. Und schöner. Rath grub bereits nach seinen Englischkenntnissen, um etwas erwidern zu können, sie grüßte jedoch in akzentfreiem Deutsch.
    »Eva Kröger«, stellte sie sich vor.
    Rath schaute sie noch erstaunter an als zuvor.
    Sie lachte. »Ich bin zweisprachig aufgewachsen«, erklärte sie. »Mein Vater ist ein Hamburger Kaufmann, meine Mutter eine Varietekünstlerin aus Boston.«
    »Eva hat das Zeug zu einem internationalen Star«, sagte Bellmann, »allerdings nicht mit diesem Nachnamen, da suchen wir noch nach etwas Mondänerem. Thunder of Love ist ihr erster großer Film.«
    »Sie drehen auch englische Filme?«
    »Thunder of Love ist die englische Version von Liebesgewitter«, erklärte Bellmann. Als er sah, dass Rath immer noch fragend dreinblickte, zuckte er die Achseln und erklärte: »Wenn Sie beim Tonfilm international mithalten wollen, müssen Sie mehrere Sprachversionen drehen. Wenigstens eine englische, für den amerikanischen Markt - und den britischen, da schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe, zwei dicke Fliegen, wenn ich das so sagen darf.«
    Die Schauspielerin hatte sich umgedreht, um ihrem Kollegen hinter die Kulissen zu folgen. Von hinten sah sie Betty Winter wirklich zum Verwechseln ähnlich.
    Als habe er Raths Gedanken gelesen, sagte Bellmann: »Wir haben Eva auch als Double für Betty genommen. Um Liebesgewitter doch noch fertigstellen zu können ... «
    » ... das sind Sie der großen Betty Winter schließlich schuldig«, sagte Rath. Sollte Bellmann seinen Sarkasmus bemerkt haben, so ignorierte er ihn geflissentlich. Der Produzent nickte beipflichtend.
    »Wir haben sogar den Drehplan einhalten können, weil wir das Wochenende komplett durchgearbeitet haben. Noch heute Nachmittag beginnen wir mit dem Schnitt. Die Zeit drängt, der Verleih liegt uns in den Ohren, den Film früher rauszubringen als geplant. Die Kinos scheinen sich um den Streifen förmlich zu reißen.« Er seufzte. »Ach, wenn das Betty doch noch hätte erleben können!«
    Ohne Bettys

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