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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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der werde ewig im Bahnhof stehen bleiben. Als Oppenberg merkte, dass er dabei war, den Unmut des Auditoriums auf sich zu ziehen, lenkte er geschickt wieder ein. »Selbstverständlich wird die Montana-Film auch weiterhin die hochwertige stumme Filmkunst produzieren, für die sie bekannt ist«, sagte er. »Und wir werden Ihre Theater gerne damit beliefern.« Er sehe keine Rivalität zwischen sprechendem und stummem Film, sagte Oppenberg, »eine jede Kunstform hat ihre Berechtigung, und eine jede wird ihr Publikum finden - und ihre Theater«. Dann ging er auf einige technische und lizenzrechtliche Aspekte des Tonfilms ein, und Rath verstand gar nichts mehr. »Wir alle wissen«, sagte Oppenberg, »dass die Frage Nadelton oder Lichtton nicht nur eine technische ist, sondern vor allem eine patentrechtliche. Da wird ein Kampf ausgefochten um Patente und Lizenzen, um Marktbeherrschung und um Monopole, und er wird ausgetragen auf unserem Rücken, auf dem der Filmschaffenden, der Theaterbetreiber und des Publikums!« Oppenberg trank einen Schluck Wasser und schätzte die Wirkung seiner Worte ab. »Was Sie, meine Herren, betrübt«, fuhr er fort, »das ist die Unsicherheit, in welche Technik Sie investieren sollen. Und glauben Sie mir: Ich verstehe Ihren Unmut nicht nur, ich teile ihn! Warum sollen Sie, wenn Sie die Technik der Western Electric in Ihrem Theater installieren, damit keine Filme aus der Heimat abspielen können? Und warum sollen Sie, wenn Sie sich für die Klangfilmmaschinen entscheiden, plötzlich auf amerikanische Filme verzichten? Oder hohe Lizenzgebühren zahlen? Zusätzlich zu all den Kosten, die der Tonfilm ohnehin mit sich bringt. Es ist, und lassen Sie mich das in aller Deutlichkeit sagen, ein unbefriedigender Zustand! Nicht nur für Sie als Kinobetreiber und für mich als Hersteller von Kinofilmen, nein, vor allem ist es unbefriedigend, ja vollkommen inakzeptabel für die, für deren Pläsier wir alle, die wir hier versammelt sind, unermüdlich arbeiten - für unsere Zuschauer!«
    Trotz vereinzelter Buhrufe, die vorhin schon zu hören gewesen waren, applaudierten die meisten Kinobesitzer artig, ein wenig verhalten zwar, aber immerhin. Oppenberg hatte die Kurve noch bekommen. Er bedankte sich kurz und trat vom Podest, schaute eher erfreut denn überrascht, als er Rath erblickte, und machte keinerlei Anstalten zur Flucht, kam im Gegenteil gleich an seinen Tisch.
    »Herr Rath! Welche Überraschung! Ich hoffe, Sie bringen gute Nachrichten! «
    Bevor Rath antworten konnte, hatte Oppenbergs Vorredner die Hand des Produzenten ergriffen und bedankte sich für den Vortrag. »War doch eine Selbstverständlichkeit, mein lieber Marquard«, entgegnete Oppenberg. »Wir sitzen alle in einem Boot, ganz gleich ob Kinobetreiber oder Produzent!«
    »Ich hatte allerdings gehofft«, sagte Marquard, »dass Sie deutlicher auf den künstlerischen Aspekt eingehen würden. Müsste der Ihnen als Filmschaffendem nicht mehr am Herzen liegen?« Wirklich eine beeindruckende Stimme, selbst wenn sie Missfallen ausdrückte, klang sie warm und beruhigend.
    »Nun ... « Oppenberg schien tatsächlich etwas verlegen zu sein. »Wissen Sie, jedem seine Meinung, Herr Marquard. Aber mir geht es darum, dass wir die Herausforderung, die der Tonfilm für unsere Branche bedeutet, gemeinsam meistem. Daran sollten auch Sie interessiert sein, mein Lieber, mit Ihrem Kopierwerk und Ihrem Verleih. Wir können nicht alles der Ufa überlassen.«
    »Mir ist es immer um die Kunst gegangen. Nur deswegen betreibe ich auch Filmtheater. Aber Sie sind in der glücklichen Lage, uns Filme schenken zu können, etwas, wozu mir leider das Talent fehlt.«
    »Die Filmkunst, wie wir sie bislang kannten, hat es zu großer Blüte gebracht, zweifellos, aber ich bin sicher, dass auch der Tonfilm es zu einer eigenen Kunstform bringen wird«, sagte Oppenberg. »Daran arbeiten wir.«
    »Ich hoffe jedenfalls, Sie werden uns weiterhin auch mit richtigen Filmen beglücken.«
    »Ich bin immer meinem Publikum verpflichtet, Herr Marquard.« Oppenberg zeigte auf Rath. »Wenn Sie mich nun entschuldigen wollen. Herr Rath ist eigens hierhergekommen, um mich zu sprechen.«
    »Rath?« Marquard zog die Augenbrauen hoch. »Ermitteln Sie nicht wegen des Todes von Betty Winter!«
    Rath nickte.
    »Man liest, ihr Unfall könne ein Mord gewesen sein. Haben Sie schon eine Spur?«
    Rath schüttelte den Kopf. »Die Ermittlungen stehen noch am Anfang.«
    »Sie entschuldigen uns, Marquard?« Oppenberg

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