Der Stundenzaehler
doch das änderte sich rasch durch den Alkohol.
Ethan hatte eine Flasche Wodka mitgebracht. Obwohl Sarah wenig Erfahrung mit Alkohol hatte, trank sie rasch einen Schluck, um lässig zu wirken und sich keine BlöÃe zu geben.
Sie befanden sich im Lagerhaus von Ethans Onkel â diesen Treffpunkt hatte Ethan vorgeschlagen. Erst um 20.14 hatte er die Verabredung per SMS bestätigt: » Lass treffen im Lager von meinem Onkel, wenn du Bock hast «.
Den Wodka tranken sie aus Pappbechern, gemischt mit Orangensaft, den Ethan aus einem Regal genommen hatte. Sie hockten auf dem Boden, lehnten sich an die Wand und lachten, als sie feststellten, dass sie beide eine besonders alberne Fernsehserie gerne mochten. Ethan stand auch auf Actionfilme, vor allem Men in Black , weil ihm die Darsteller mit den schwarzen Anzügen, Krawatten und Sonnenbrillen so gut gefielen. Sarah behauptete, dass sie diese Filme auch toll fände, obwohl sie noch nie einen gesehen hatte.
Sie trug dieselbe tief ausgeschnittene Bluse wie am Samstag im Obdachlosenheim, weil sie annahm, dass sie Ethan beeindruckt hatte. Er schien ihr Outfit auch tatsächlich zu bemerken.
Irgendwann klingelte Sarahs Handy (wie nervig, ihre Mutter !), und als sie das Gesicht verzog, sagte Ethan »gib mal her« und speicherte als Klingelton für Lorraine ein schrilles Heavy-Metal-Riff ein.
»Wenn du das hörst, brauchst du nicht mehr ranzugehen«, sagte er dazu.
Sarah lachte. »O Mann, das ist super .«
Danach hatte Sarah nur noch verschwommene Erinnerungen.
Ethan fragte, ob er ihr die Schultern massieren solle, und Sarah nahm das Angebot gerne an; seine Hände auf ihren Schultern lieÃen sie erschauern, dann schmolz sie förmlich dahin.
Sie plapperte nervös, erklärte Ethan, dass sie keine wirklichen Freundinnen an der Schule habe, weil sie die anderen Mädchen so unreif fände, und Ethan erwiderte, ja, die meisten an der Schule seien echt daneben, und Sarah gestand ihm, dass sie so aufgeregt sei wegen ihrer Uni-Bewerbung, und Ethan massierte ihre Schultern noch fester und sagte, sie sei doch so intelligent, sie würde überall ankommen, was Sarah total nett fand.
Und dann der Kuss.
Den würde sie nie vergessen.
Sie spürte Ethans Atem in ihrem Nacken und drehte den Kopf nach links, aber er wandte sich nach rechts, und sie tat es ihm gleich, und dabei stieÃen ihre Gesichter fast zusammen â da geschah es. Einfach so. Sarah schloss die Augen und fiel tatsächlich fast in Ohnmacht (ihre Mutter hatte einmal gesagt, es könne einem dabei auch schwindlig werden â diesen Zustand hatte sie wohl gemeint), und Ethan küsste sie noch einmal, heftiger, und drehte sie zu sich und umschlang sie, und Sarah wusste noch, wie sie dachte Mich, er küsst wirklich mich, er will mich!
Doch was sanft begonnen hatte, wurde plötzlich etwas gröber, und auf einmal waren seine Hände überall, und Sarah löste sich von ihm und lachte, um die Peinlichkeit zu überbrücken.
Er schenkte ihr mehr Wodka und Orangensaft ein, und sie trank noch schneller. Und sie erinnerte sich, wie sie den Rest des Abends lachte und Ethan wegschob und wie er sie an sich zog und sie sich wieder küssten und wie Ethan immer drängender wurde und sie sich abwandte, und dann tranken sie weiter, und alles wiederholte sich.
»Komm schon«, sagte er.
»Ich weië, murmelte sie, »ich will ja auch, aber â¦Â«
Irgendwann lieà er sie in Ruhe und trank noch mehr Wodka, bis er fast einschlief. Kurz darauf gingen sie beide nach Hause.
Aber jetzt fragte sich Sarah â
am Montagmorgen um 7.23 â, während sie ihren Vollkorntoast aÃ, ob sie richtig oder falsch gehandelt hatte. Oder ob sie falsch gehandelt hatte, indem sie das Richtige tat. Ihr wurde bewusst, dass Ethan erheblich attraktiver war als sie, und sie fragte sich, ob sie sich irgendwie als dankbar erweisen sollte für sein Interesse. Sie hatten sich geküsst â regelrecht herumgeknutscht hatten sie â, und er hatte sie begehrt. Jemand begehrte sie. Das war das Einzige, was wichtig war. Sarah sah Ethans Gesicht vor sich. Stellte sich ihr nächstes Treffen vor. Endlich gab es etwas in ihrem langweiligen Leben, worauf sie sich freuen konnte.
Sie stellte ihren Teller in die Spüle und klappte ihren Laptop auf. Wahrscheinlich würde sie jetzt zu spät zur Schule kommen â was sonst niemals passierte â, aber es
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