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Der Stundenzaehler

Der Stundenzaehler

Titel: Der Stundenzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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Victor.
    Â»Aber, Mr. Delamonte …«
    Â»Hören Sie mich zuerst an.«
    Victor legte seinen Plan dar. Nur die Dialyse erhielt Victor noch am Leben – die große Maschine, die sein Blut entgiftete. Wenn er die Dialyse aufgab, würde er binnen kurzem sterben. In ein oder zwei Wochen, vielleicht auch schon innerhalb weniger Tage.
    Â»Wenn ich gestorben wäre, würde ein Arzt den Tod feststellen, ein Gerichtsmediziner würde ihn bestätigen, und dann würde man mit dem Einfrieren beginnen, nicht wahr?«
    Â»Ja«, sagte Jed, »aber …«
    Â»Ich weiß. Wir müssten alle bereits in Ihrem Unternehmen sein.«
    Â»Richtig.«
    Â»Oder vorher .«
    Â»Ich verstehe nicht.«
    Â»Vor meinem Ableben …« Victor ließ seinem Gegenüber einen Moment Zeit. »Und dann könnten sie bestätigen, dass der Tod eingetreten ist.«
    Â»Aber dann würde man doch …«
    Jed verstummte. Victor bewegte den Kiefer hin und her. Allmählich schien der Mann zu begreifen.
    Â»Wenn man viel Geld hat«, fuhr Victor fort, »kann man sich manches erkaufen.« Er faltete die Hände. »Niemand muss es erfahren.«
    Jed blieb stumm.
    Â»Ich habe Ihre Firma gesehen«, sagte Victor. »Sie ist – nehmen Sie’s mir nicht übel – ziemlich spartanisch ausgestattet.«
    Jed zuckte die Achseln.
    Â»Ein paar Millionen Dollar könnten Sie doch gewiss gut brauchen, oder nicht? Eine Schenkung von einem zufriedenen Kunden?«
    Jed schluckte.
    Â»Schauen Sie«, fuhr Victor in umgänglicherem Tonfall fort, »ich bin dem Tode dann ohnehin schon nahe. Da spielen ein paar Stunden keine Rolle.
    Und seien wir doch mal ehrlich.« Er beugte sich vor. »Möchten Sie nicht künftig Ihre Erfolgschancen erhöhen?«
    Jed nickte.
    Â»Das würde ich auch wollen.«
    Victor lenkte seinen Rollstuhl zum Schreibtisch und öffnete eine Schublade.
    Â»Ich habe meine Anwälte beauftragt, etwas aufzusetzen«, sagte er und hielt einen Umschlag hoch. »Ich hoffe, das hier wird Ihnen die Entscheidung erleichtern.«

38
    Mit geschnittenen Haaren und in moderner Kleidung sah Dor eher wie jemand aus diesem Jahrhundert aus …
    â€¦ und mithilfe des Stundenglases hielt er sich nun für längere Zeiträume in der Realität auf, um sich wichtige Dinge anzueignen. In einer Sprachschule erlernte er das Alphabet und das Buchstabieren. Und da Vater Zeit ohnehin schon alle Sprachen der Welt verstehen konnte, fielen ihm die nächsten Schritte nicht schwer.
    Als er lesen gelernt hatte, besaß er den Zugang zu allem Wissen.
    Dor begab sich in eine Bibliothek in Madrid und studierte über ein Drittel der dort vorhandenen Werke. Er beschäftigte sich mit Geschichte und Literatur, betrachtete Landkarten und Fotobände. Durch das Stundenglas brauchte er dafür nur wenige Minuten, während in der Normalzeit Jahrhunderte vergangen wären.
    Als Dor aus der Bibliothek trat, stellte er das Stundenglas aufrecht und sah zu, wie die Nacht hereinbrach. Fasziniert beobachtete er, wie der Mensch durch die Elektrizität den Tag verlängerte. Dor kannte nur Öllampen und Feuer als künstliches Licht. Nun wandelte er durch Straßen, die durch Lampen hell erleuchtet waren, und blieb die ganze Nacht wach, um immer wieder staunend zu den Laternen aufzublicken.

    Am Morgen hielt er die Sonne an …
    â€¦ und wanderte durch die spanischen Ebenen, überquerte den größten Fluss Frankreichs und schritt durch die Wälder von Belgien und Deutschland. Er sah historische Ruinen, moderne Sportstadien, betrachtete Hochhäuser, Kirchen, Einkaufszentren.
    Und überall untersuchte Dor die Zeitmessinstrumente. Der Alte hatte Recht. Dor hatte die Zeit als Erster gemessen, doch die Menschheit hatte sein einfaches System aus Stäben und Schalen weiterentwickelt und eine Vielzahl von Gerätschaften geschaffen.
    Dor machte sich mit allen vertraut.
    In einem Museum unweit der Hüttenstraße in Düsseldorf zerlegte er alle historischen Uhren und untersuchte die Federn und Spulen, während der erstarrte Aufseher nur wenige Meter von ihm entfernt war.
    Auf einem Flohmarkt in Frankfurt entdeckte Dor einen Radiowecker, bei dem man die Zeit vor- und zurückschalten konnte, wenn man bestimmte Knöpfe gedrückt hielt. Dor drückte den Rückwärtsknopf und sah zu, wie die Zeit verschwand. Mittwoch, Dienstag, Montag, und Dor

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