Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stundenzaehler

Der Stundenzaehler

Titel: Der Stundenzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
Vom Netzwerk:
Betäubungsmittel haben wolle. Victor schüttelte schwach den Kopf.
    Â»Ist mit den Papieren alles in Ordnung?«, murmelte er.
    Der Gerichtsmediziner bejahte, und Victor atmete tief ein. Dann schloss er die Augen. Das Letzte, was er wahrnahm, war Jed, der ihm die Taschenuhr aus den Händen nahm und sagte: »Ich verspreche Ihnen, dass ich mich darum kümmern werde.«
    Vier Hände hoben Victor hoch.
    Aber in der Ecke stand Dor.
    Und er hielt das Stundenglas schräg.

    Sarah Lemon saß inzwischen in der Garage in einem blauen Ford Taurus und hatte den Motor gestartet.
    Nun musste sie nur noch warten. Die Abgase würden alles erledigen. Ganz mühelos.
    Etwas Müheloses hatte sie verdient.
    Sarah trank einen Schluck aus der Flasche, und Wodka tropfte über ihr Kinn aufs T-Shirt.
    Aus ihrem Handy ertönte wieder und wieder der traurige Song, kaum hörbar durch den Motorlärm.
    Morgens wach ich auf und frag mich
Warum ist alles wie zuvor
Ich versteh nicht, nein ich versteh nicht
Wie das Leben einfach so weitergehn kann.
    Â»Lass mich in Ruhe«, murmelte Sarah, als sie im Geiste Ethan vor sich sah: die wuschligen Haare, das kühne Grinsen, seinen Gang.
    Er würde es bereuen, sagte sie sich.
    Er würde sich schuldig fühlen.
    Warum schlägt mein Herz noch?
    Ihr war furchtbar schwindlig.
    Warum muss ich weinen?
    Sarah sackte auf dem Sitz nach hinten.
    Es ist das Ende der Welt.
    Sarah hustete heftig.
    Das Ende der Welt ist, wenn du gehst.
    Sarahs Lider wurden schwer. Dann schien plötzlich alles zum Stillstand zu kommen. Durch die Windschutzscheibe sah sie einen Mann. Und sie glaubte, ihn schreien zu hören.

63
    Dor schrie, hilflos und frustriert.
    Was konnte er noch tun, außer das Stundenglas schräg zu halten? Er konnte die Zeit verlangsamen, aber er konnte sie nicht vollständig anhalten. Die Autos, die er erforscht hatte, waren weitergefahren, aber kaum wahrnehmbar. Und die Menschen, die er betrachtet hatte, hatten weitergeatmet – so langsam allerdings, dass sie seine Anwesenheit nicht bemerken konnten.
    Die Kraft des Stundenglases hatte es ihm ermöglicht, die Augenblicke zu dehnen, wie es ihm beliebte – eine ungeheure Macht. Doch das reichte nicht aus, merkte Dor jetzt. Die Zeit würde einfach weiter vergehen.
    Irgendwann würde Victor mit Eis bedeckt und aufgeschnitten werden.
    Irgendwann würde das Kohlenmonoxid in Sarahs Blutkreislauf eindringen, Sauerstoffmangel, Vergiftung, Herzversagen bewirken.
    Dazu war Dor nicht auf die Erde geschickt worden – um diesen beiden beim Sterben zuzusehen.
    Diese beiden Menschen waren Dors Mission, seine Bestimmung. Aber beide hatten extreme Maßnahmen ergriffen, bevor er etwas ausrichten konnte.
    Er hatte versagt.
    Es war zu spät.
    Es sei denn …
    Es ist niemals zu spät oder zu früh, hatte der Alte gesagt. Sondern immer so, wie es bestimmt ist.
    Dor ging vor zwei Mülltonnen in die Hocke. Legte die Hände aneinander, presste sie an die Lippen, schloss die Augen, wie er es in der Höhle getan hatte, wenn er die Millionen anderer Stimmen ausblenden und sich auf seine innere Stimme konzentrieren wollte.
    Immer so, wie es bestimmt ist.
    Dieser Augenblick?
    Doch wie konnte er in diesem Augenblick ausharren?
    Dor dachte an alles, was er über die Zeit gelernt hatte.
    Was war die Konstante?
    Bewegung .
    Ja. Zur Zeit gehörte auch immer die Bewegung : Die untergehende Sonne. Tropfendes Wasser. Die Uhrenpendel. Der rinnende Sand.
    Um seine Bestimmung zu erfüllen, musste er jegliche Bewegung unterbinden! Er musste die Zeit vollständig anhalten …
    Dor öffnete die Augen, richtete sich rasch auf. Hob Sarah aus dem Auto.
    Das alte Jahr war fast zu Ende, das neue würde in wenigen Minuten beginnen. Vater Zeit trug das sterbende Mädchen hinaus, in die Schneeflocken, die im Mondlicht vom Himmel taumelten.
    Er schritt durch die winterliche Stadt, zwischen Autos und festlich glitzernden Lichtern hindurch.
    Sarahs Kopf lag an seiner Brust; unter halb geöffneten Lidern blickte sie zu ihm auf.
    Das Mädchen tat ihm leid.
    Eine Seele, die zu wenig Zeit verlangt . So hatte der Alte sie beschrieben.
    Dor dachte an seine eigenen Kinder und fragte sich, ob sie jemals so unglücklich gewesen waren, dass sie die Welt freiwillig verlassen wollten. Er hoffte, dass ihnen das erspart geblieben war. Doch hatte er sich nicht selbst das Ende seines Lebens herbeigewünscht?
    Er ging an

Weitere Kostenlose Bücher