Der Sturm
Sie schaute die Ankömmlinge erwartungsvoll an. Sie war allein.
»Der Kollege aus Ljungby ist noch nicht da«, flüsterte Pelle.
»Die Bedienung ist dieselbe«, antwortete Ronny, genauso leise.
Pelle ging zum Tresen und sprach die junge Frau an:
»Hej, wir würden dich gern ein paar Dinge fragen, nach einem Mann, der vor etwa drei Wochen hier gewesen sein muss.« Man sah der Frau die Enttäuschung an. Sie hatte auf zahlende Kundschaft gehofft.
»Es kommen hier immer Leute vorbei. Viele. Ich merke sie mir nicht.« Die Frau hinter der Kasse schaute in die Luft und stemmte die Arme in die breiten Hüften. Der rote Mund verzog sich zu einer Schnute.
»Kannst du dich an diesen Mann erinnern?« Pelle wies auf Ronny.
»Warum soll ich dir das sagen?«
Pelle zeigte seinen Polizeiausweis. Die junge Frau guckte ihn misstrauisch an, nahm ihn in die Hand, schaute noch einmal darauf und zog den Atem ein.
»Die Polizisten aus Ljungby kenne ich, dich nicht.« Die Frau schaute aus dem Fenster und fuhr sich langsam über das lange Haar.
»Ist dieser Mann schon einmal hier gewesen?«
»Hm.« Die Bedienung schaute weiter aus dem Fenster, auf die Straße, in den Regen. Das Gespräch schien für sie zu Ende zu sein und die Welt unermesslich. Ronny sah, wie Pelle sich spannte, er diese Demütigung unmöglich ertragen konnte, der jungen Frau und ihm selbst gegenüber, wie er sich zusammennahm. Ronny genoss diesen Auftritt. Die Frau ist vulgär, aber sie hat Stil, dachte er.
»Du hast doch die Tagesabrechnungen für die vergangenen Wochen?«
»Da musst du den Chef fragen.«
Die Tür ging auf. Ein Mann in den Vierzigern, in einer Jeansjacke, trat herein.
»Hej Pelle, hej Jenny.«
»Hej Lasse.« Der Mann musste der Kollege aus Ljungby sein.
Die junge Frau schien aus den unermesslichen Weiten ihrer Phantasie zu ihren Besuchern zurückkehren zu wollen.
»Was gibt’s?« Der Kollege schaute spöttisch in die Runde.
Pelle war der Erste: »Wir versuchen, die Erinnerung dieser Dame an einen Tag vor drei Wochen aufzufrischen«, sagte er zu seinem Kollegen aus Ljungby. »Die Tagesabrechnungen wären dabei sehr hilfreich.«
»An den Mann neben dir kann ich mich erinnern«, schoss es plötzlich aus der Frau heraus. »Er saß mal hier, am Fenster, eine Stunde oder mehr, und schrieb in sein Notizbuch. Er hat nur einen Kaffee getrunken. Eigentlich sieht er nicht schlecht aus.« Die junge Frau legte ihren Kopf zur Seite. »Aber er müsste sich besser pflegen und gerader laufen.« Ronny wurde rot.
»Und wer kam noch in dieser Zeit?«
»Da waren nicht viele, glaube ich.«
»Ausländer?«
»Vielleicht. Kann sein, es sind dann meistens Lastwagenfahrer.«
»Keine anderen?«
»Vielleicht. Einer. Einer war dabei, der sprach Englisch.«
»Lasse, kannst du dafür sorgen, dass wir die Tagesabrechnungen bekommen, und zwar alle, für die Tage zwischen dem 18 . und dem 25 . April, mit den Daten der Kreditkarten? Der junge Mann hier« – Pelle wies auf Ronny – »meint, er sei am 22 . hier gewesen.« Und weiter, zur jungen Frau gewandt: »Kannst du dich daran erinnern, wie der Mann aussah, der Englisch sprach?«
»Irgendwie wie alle.«
Dem Kollegen aus Ljungby schien die Geduld auszugehen: »Pelle, wegen der Abrechnungen rufe ich den Staatsanwalt an. Er wird dafür sorgen, dass wir alle Daten bekommen.« Plötzlich war die junge Frau die Beflissenheit in Person.
»Ja, da war einer«, sagte sie schnell. Sie hatte die Drohung sofort verstanden, »ich weiß es genau, ich such dir den Zahlungsbeleg heraus.« Und dann: »Möchtet ihr einen Kaffee?«
In diesem Augenblick klingelte Pelles Mobiltelefon. Er nannte seinen Namen, schwieg aber dann, während der Mensch am anderen Ende der Verbindung redete. Dann nickte er, als habe er etwas Wichtiges erfahren, und sagte:
»Irgendjemand wird etwas mit dem Schlüssel anfangen können. Fragt bei der Reichskriminalpolizei. Macht das sofort. Wir treffen uns noch heute. In eineinhalb Stunden, also um neun, in meinem Büro.«
Pelle wirkte erleichtert, dass er Småland im Allgemeinen und diese Imbissbude im Besonderen verlassen konnte. »Lasse«, sagt er, »das hier ist dein Bereich. Kümmerst du dich um die Abrechnungen? Und« – Pelle Larsson warf einen Blick auf die junge Frau – »es wäre vielleicht nicht schlecht, sich überhaupt mit den Abrechnungen dieses Schuppens hier zu beschäftigen. Vielleicht gibst du mal den Kollegen vom Finanzamt einen kleinen Tipp?« Der Polizist aus Ljungby
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