Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
Vom Netzwerk:
bleiben. Findest du nicht?«
    »Weil ich den Hof habe und hiergeblieben bin? Ich hatte eben keinen Bruder. Wenn ich einen gehabt hätte, wäre ich auch gegangen. Wahrscheinlich wären wir dann beide gegangen. Aber da war Vater, und da war ich, und es gab den Wald, die Wiesen und die Kühe. Da kommt man nicht raus.«
    »Was denkst du eigentlich, wenn du den leeren Hof siehst?«
    »Deinen? Ich finde, da muss Leben sein. Aber vielleicht keine Deutschen.«
    »Hast du etwas gegen sie?«
    »Nein, wenn du in Richtung Hallaryd fährst, kommst du an drei, vier kleinen Höfen vorbei. Alles Deutsche. Ohne sie gäbe es die Häuser nicht mehr. Sie sind ordentlich. Anfangs klagen sie über die Mücken. Aber das geht vorbei. Und das Land können die Nachbarn pachten.«
    »Aber diesen Hof sollen sie nicht haben?«
    »Nein. Der gehört zu unserer Familie.«
    Bertil und der Bauer schwiegen. Draußen fiel der Regen in langen, dünnen Fäden, unter der hölzernen Fassade der Scheunen bildete er Pfützen. Es roch nach Frühling. Dann sprach Bertil aus, was ihm schon den ganzen Nachmittag auf der Seele gelegen hatte:
    »Ich möchte mir noch einmal die Scheune ansehen. Ich will wissen, wie das jetzt aussieht.«
    »Wenn du willst. Dann gehen wir hinüber.«
    Die beiden zogen Gummistiefel und Regenjacken an und traten auf den Hof. Das Scheunentor stand noch immer offen.
    »Du wirst das Ständerwerk ersetzen müssen«, sagte der Bauer, »wenigstens hier, am Tor. Sonst bricht das alles zusammen.«
    »Ich fürchte ja. Und nicht nur da.«
    Von der Leiche war nichts mehr zu sehen. Nichts, kein Fetzen Stoff mehr, nicht einmal ein Fleck auf dem Boden. Die Erde um den Eingang des Dachsbaus war metertief aufgegraben worden, mit schwerem Gerät, denn es waren die Abdrücke eines Raupenfahrzeugs zu sehen. Offenbar hatte man versucht, dem Gang zu folgen. Der Bauer betrachtete das tiefe Loch und schüttelte den Kopf.
    »Wir nehmen noch ein bisschen Feuerholz mit«, sagte Bertil.
    Der Bauer ging hinüber zum Holzschuppen. Er stutzte. Ein neuer Ausgang für den Dachsbau war dort entstanden. Ein kleiner Haufen Erde lag daneben. Der Bauer fuhr mit dem Stiefel hinein. Es staubte. Die beiden starrten auf den Boden und fuhren dann zusammen. Ein paar Knochen waren unter dem Dreck hervorgekommen, ein Stückchen blauen Tuchs, ein paar Knöpfe – und dann: ein kleiner Schlüsselbund, mit Sicherheitsschlüsseln.
    »Wir müssen den dicken Polizisten anrufen«, sagte der Bauer.
    »Wo kommt das her?«
    »Dachse sind reinliche Tiere. Sie schleppen manchmal ihre Beute mit in den Bau. Aber nach ein paar Tagen wird aufgeräumt. Ich hatte einmal einen Jagdkameraden. Der hat einen Dackel gehabt. Einmal ist der Hund in einen solchen Bau gegangen. Er hat sein GPS -Halsband darin verloren. So etwas ist teuer, du weißt, das kostet fünftausend Kronen, mindestens. Nach ein paar Wochen hat der Dachs das Halsband beim Saubermachen wieder an die Oberfläche gekehrt.«
    »Du meinst …«
    »Der Polizist weiß, was zu tun ist, sicher.«
    »Rufst du an?«
    »Mach du das, es ist dein Hof.«

Vierzehn
    Die Reichsstraße  23 glänzte schwarz im Nieselregen. Es war kalt geworden, und die vorbeifahrenden Autos zogen Gischtwolken hinter sich her. Über der Kreuzung, von der die Straße nach Ljungby abzweigt, schaukelte eine gelbe Straßenlaterne im Wind. Hinter der Kreuzung lag eine Tankstelle, die aus einem Dach und zwei Zapfsäulen bestand, dahinter eine große Imbissbude – oder genauer: ein weiß gestrichener Schuppen, der vor vielen Jahren mit einer umlaufenden hölzernen Veranda versehen worden war, die einer amerikanischen »porch« glich. Die weiße Farbe blätterte ab, im Fenster blinkte eine Leuchtschrift »Take Away«, an den beiden Pfosten neben dem Eingang waren je eine amerikanische und eine schwedische Fahne montiert, die jetzt schlaff und nass herunterhingen.
    Pelle Larsson öffnete die Tür, hinter ihm ging Ronny Gustavsson. Vor ihnen lag ein einfacher Raum mit ein paar Tischen, rotweiße Tischdecken lagen darauf. Es gab dunkelbraune, gedrechselte Stühle, einen gläsernen Tresen, in dem ein paar Sandwiches lagen, eine elektronische Kasse. Dahinter stand eine junge Frau, korpulent, mit einer hell blondierten langen Mähne, stark geschminkt mit einem knallroten Mund und von dicken Kajalstrichen umrandeten Augen. Sie steckte in einem viel zu engen kurzen blauen Rock, aus dem ein Paar dicke Beine hervortraten. Vor den Rock hatte sie eine kleine weiße Schürze gespannt.

Weitere Kostenlose Bücher