Der Sturm
nickte.
Pelle und Ronny verabschiedeten sich und gingen zum Auto:
»Ronny, du hast doch noch etwas Zeit, oder? Ich kann jetzt unmöglich den Umweg über Osby machen.«
»Seid ihr weitergekommen?« Ronny tat, als hätte er die Bemerkung nicht gehört, denn es hätte höchstens fünf Minuten länger gedauert, ihn nach Hause zu bringen. Andererseits stand sein Toyota noch in Kristianstad.
»Die Leute in Visseltofta haben einen Schlüssel in der Scheune gefunden.«
Zwei schwere Motorräder fuhren zum Tanken vor. Als die Fahrer, in schwarzen Lederwesten mit Emblemen auf dem Rücken, von ihren Maschinen abstiegen, trat Jenny aus ihrer Bude, um sie zu begrüßen. Offenbar kannte man sich. Gemeinsam schauten sie den abfahrenden Polizisten nach. Auch Ronny guckte sich um.
Es dämmerte, als Pelle und Ronny nach Kristianstad zurückfuhren, an Osby vorbei durch den Wald, der offenen Landschaft entgegen. Und es dauerte lange, bis Pelle anfing zu reden.
»Du warst in Lund, nicht wahr, und auch in Frankreich?«
Ronny nickte. »Ja, Frankreich, das war ein schöner Plan, aber es ist nicht viel daraus geworden. Wir wollten alle bei einem wilden Philosophen studieren. Der hatte die Idee, dass wir uns die Welt von Grund auf falsch vorstellen. Sie sei nicht schön ordentlich wie ein Baum aufgebaut, mit einer Wurzel, einem Stamm und einer Krone. Sondern wie ein Wurzelgeflecht, wie ein Netz mit vielen Knoten und Leitungen. ›Rhizom‹ nannte er dieses Netz, wie das Wurzelgeflecht bei den Pilzen.«
»Oder wie ein Dachsbau.«
Ronny schaute den Kommissar überrascht an. »Ja, so ähnlich. Oder wie wenn einer versucht, ein Verbrechen aufzuklären, aber keine Ahnung hat, wo er anfangen soll.« Er spürte, wie der Ärger in Pelle aufwallte, und merkte, wie dieser ihn unterdrückte.
»Und was geschah dann mit dem Philosophen?«, fragte Pelle.
»Er hat sich immer gewünscht, seine Vorlesungen so zu halten, wie Bob Dylan seine Konzerte gab. Kennst du Bob Dylan?«
»Na, hör mal. Klingt ja ziemlich verrückt. Also was passierte dann mit dem Philosophen?«
»Er sprang aus dem Fenster, im Herbst 1995 . Er hatte früher einmal Tuberkulose gehabt und konnte nie richtig frei atmen. Im Alter wurde diese Krankheit immer schlimmer. Sie muss ihn wahnsinnig gequält haben. Aber da war ich schon lange nicht mehr in Paris.«
Pelle schwieg. Es gab keinen Grund zur Vertraulichkeit, weder beim einen noch beim anderen. Ronny, das war immer noch der Spinner vom ›Sozialistischen Kampfbund‹. Pelle, das war ›Klumpen‹. Es war schon dunkel, als sie im Polizeigebäude eintrafen. Sie gingen sofort in das offene Büro der Kriminalpolizei.
»Und? Kalle? Habt ihr schon etwas herausfinden können?«
Die Polizisten nickten: »Das ging schnell. Die Schlüssel sind ein deutsches Fabrikat. Einer von ihnen ist ein Sicherheitsschlüssel, etwas ganz Besonderes, der vermutlich beim Hersteller registriert ist. Die Reichskriminalen reden jetzt mit den deutschen Kollegen, und die reden wahrscheinlich mit dem Hersteller. Mal sehen, was dann noch so herauskommt.«
Das Smartphone des älteren Polizisten gab einen kurzen, hellen Ton von sich, das Zeichen für eine gerade angekommene E-Mail. Der Polizist schaute auf das Gerät, und las vor:
»Hört mal, die deutschen Kollegen sind schnell. Der Schlüssel gehört zu einer Wohnung in Berlin. Der Eigentümer heißt Christian Meier, mit »i«. Das ist offenbar in Deutschland ein ziemlich bekannter Mann, ein Journalist. Sie gucken jetzt, wo er steckt. Falls er noch irgendwo ist.«
Ronny schaute Pelle an: »Darf ich mal deinen Computer benutzen?«
Pelle verstand sofort: »Warte mal, ich nehme die Mails weg. Jetzt.«
Ronny gab in Google den Namen »Christian Meier« sowie die Wörter »Journalist« und »Berlin« ein. Dann klickte er die Funktion »Bilder« an. Im Bruchteil einer Sekunde erschienen Dutzende von Porträts eines dunkelblond gelockten Mannes um die fünfzig, vital, engagiert, einmal freundlich, das andere Mal konzentriert, oft vor einem Mikrophon. Die vier Männer in Pelles Büro betrachteten die Bilder.
»Das ist er«, sagte Ronny, und es war still im Raum. »Das war er, der Mann von der Tankstelle.«
Es war der ältere Polizist, Kalle, der das Schweigen brach:
»Und wie kommt der hierhin?«
Pelle fuhr fort: »Und wo ist das Auto?«
Fünfzehn
»Du bist spät.« Richard Grenier schaute seinen Assistenten Johan missbilligend an, als dieser in die übliche kleine Versammlung vor dem großen Bildschirm
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