Der Sturm
schwieg eine Weile und nickte dann müde. Ronny nahm sein Mobiltelefon und ging vor die Tür. Als er zurückkam, legte er Benigna die Hand auf die Schulter.
»So weit in Ordnung. Ich hätte es ihm nicht sagen müssen. Sie sind schon von selber darauf gekommen und haben ihm zwei Leute vor die Tür gesetzt. Aber er fragt, was wir jetzt tun wollen. Er sagt auch, dass er mit mir reden muss. Er sagt, er habe den Eindruck, ich wisse Dinge, die er nicht weiß.«
Benigna nahm Ronnys Hand von ihrer Schulter. »Glaubst du, dass Wille etwas mit dem Tod von Magnus zu tun hat?«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Schon oft. Ich weiß es nicht. Oder – ich traue es ihm zu, aber ich möchte es nicht glauben.«
»Ich würde gern mit Lorenz reden.«
»Er kann uns jetzt auch nicht helfen,« antwortete Benigna.
»Wir können jetzt nicht einfach bleiben, wo wir sind, wo jeder uns sofort findet.«
»Ich muss erreichbar bleiben, für Wille.«
»Lass uns nach Malmö fahren. Dann sind wir weg von hier, aber wir sind wenigstens in seiner Nähe.«
Plötzlich wurde die Tür des Lokals aufgerissen. Ein kalter, feuchter Wind fuhr herein und blies die Kerze auf dem Tisch aus. Erschrocken schauten Benigna und Ronny auf und wandten sich um. Aber da stand nur eine Gruppe von Mädchen, die ihre Jacken und Mäntel auszogen, Lametta in den Haaren hatten und anfingen, Wahlzettel zu verteilen. Erleichtert sanken die beiden wieder in sich zusammen. »Lucia!«, entfuhr es Benigna. Eine der jungen Frauen, eine besonders gutaussehende, kam zu ihnen, legte ein Blatt mit Porträtfotos auf den Tisch und erklärte, sie müssten jetzt hinter einem der Bilder ein Kreuzchen machen. Wer die meisten Stimmen auf sich vereine, werde Lucia von Osby. Benigna war offenbar froh über die Ablenkung und fragte das Mädchen, ob sie gerne Lucia sei. O ja, antwortete das Mädchen, sie wolle ja am liebsten Model werden, in Paris oder New York, und ihre Mutter sei früher auch Lucia gewesen. Aber damals habe man ja noch eine Krone mit richtigen Kerzen auf dem Kopf getragen, und ihre Mutter erzähle immer, sie habe nach einem Auftritt viele Stunden gebraucht, um das Wachs aus den Haaren zu bekommen. Benigna lachte. Das kenne sie, sagte sie, das sei immer eine furchtbare Quälerei gewesen.
»Lass uns fahren«, sagte Ronny, als das Mädchen den Tisch wieder verlassen hatte. »Jetzt. Wo genau ist Katarina? Ist sie dort sicher?«
»Ja«, antwortete Benigna »wir fahren. Sofort. Katarina ist bei ihren Freunden, ich denke schon, dass sie dort sicher ist, sie ist ja nicht alleine, ich rufe sie an, ach, ich weiß nicht – soll ich sie anrufen? Wir können sie doch nicht einfach da sitzenlassen, während wir, ich weiß nicht. Ich will auch nichts mehr von daheim holen. Was wir brauchen, werden wir kaufen. Hast du deinen Computer dabei, ich meine, den kleinen?«
»Ja. Ich kenne ein nettes kleines Hotel in Limhamn, direkt am Meer. Wir waren einmal mit der Zeitung dort.«
»Bist du wahnsinnig? Bloß nichts Nettes. Wenn uns wirklich jemand sucht – je anonymer wir sind, desto besser. Und wir nehmen dein Auto, nicht meins. Der Toyota fällt nicht auf.«
Fünfzig
Die beiden hatten kaum die Straße betreten, als Benigna Klints Mobiltelefon klingelte.
»Katarina«, rief sie laut. Dann war sie still, während Katarina am anderen Ende der Leitung aufgeregt zu reden schien. Eine Minute verging, vielleicht zwei Minuten.
»Wo bist du jetzt, sag, wo bist du jetzt?« Benignas Stimme schnappte über. »Geht es dir gut? Bist du allein … sicher?«
»Ich bin schon unterwegs. Bleib nicht da stehen. Versteck dich, irgendwo, wo dich keiner sehen kann. Ronny ist auch hier. Wir kommen. Du siehst uns, bleib am Apparat, leg nicht auf, wir sind gleich bei dir.«
»Ronny«, rief Benigna, »es ist etwas mit Katarina. Sie steht irgendwo im Wald, an einer Straße. Sie wurde entführt und dann irgendwo abgesetzt, wenn ich sie richtig verstanden habe, sie spricht sehr durcheinander.«
In Panik nahm Ronny Gustavsson seine Freundin an der Hand und rannte los, zum Toyota, der unterhalb seiner Wohnung auf einem Parkplatz stand. Er schloss auf, riss die Tür auf, während sie auf der Beifahrerseite das Gleiche tat, in größter Hast – und dann saßen sie da, um Atem ringend.
»Wohin?«, keuchte Ronny, als er den Schlüssel ins Zündschloss steckte.
»Wohin?«, rief Benigna Klint ins Telefon. »Sag, wo bist du? «
Katarina sprach am anderen Ende der Leitung. Benigna schwieg. »Sie
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