Der Sturm
muss man damit rechnen, dass man im Dunkeln steht.«
Doch Chris hatte den Schalter schnell wiedergefunden, und als es nun wieder hell wurde, sog er keuchend den Atem ein.
»Mann, Alter!« Ben ließ die Kamera sinken. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. »Mann... Alter.«
Dort, wo die Aufzugkabine hätte sein sollen, klaffte ein breiter Spalt, während die Kabine gut einen Meter über ihnen schwebte. Die Seile, die den Aufzug nach oben beziehungsweise unten bewegten, waren straff gespannt und sie hörten ein Knirschen, als ob sich die Aufzugkabine jederzeit lösen und abstürzen könnte.
Das Heulen klang noch immer, aber es trat in den Hintergrund. Denn ihnen beiden war klar, dass Ben abgestürzt wäre, hätte Chris ihn nicht in letzter Sekunde gehalten.
»Schalte deine Kamera an.«
»Was?«
»Deine Kamera! Was ist denn los mit dir? Du legst sie doch sonst nie aus der Hand und jetzt...Ich will einfach, dass wir das Geräusch aufnehmen, sonst denke ich später, ich habe mir das alles eingebildet.«
»Schon gut...esist nur...das eben...«Ersah Chris an. »Danke, Mann. Ich verdank dir mein Leben.«
»Schon gut.« Chris winkte ungeduldig ab. »Ist ja nichts passiert. Die Kamera, Ben!«
Chris sah, dass Benjamins Finger zitterten, als er die Kappe der Videokamera löste.
»Okay«, sagte Chris und wandte sich um. »Wir nehmen die Treppen nach unten.«
Sie folgten dem Heulen, das immer wieder abbrach, um dann scheinbar noch lauter zu werden.
Sie passierten das erste Untergeschoss und waren auf dem Weg ins zweite Kellergeschoss, wo sich das ComputerDepartment und die Übergänge zu den Sportzentren befanden, als Ben plötzlich stehen blieb.
»Warte mal«, flüsterte er. »Es wird leiser, oder?«
Chris hob die Hand und wischte sich über die Stirn. Sie war schweißbedeckt, obwohl es hier unten mehr als kühl war.
»Du hast recht«, sagte er. Er lief ein paar Stufen nach oben, hielt inne, lauschte wieder.
Ben folgte ihm. Dann zeigte er stumm auf die Tür zum ersten Untergeschoss und Chris nickte.
Es war eindeutig. Das Heulen kam von dort.
Sie sahen sich noch einmal zögernd an, dann traten sie zusammen vor und blickten auf die schwere Tür.
Chris war noch nie im ersten Untergeschoss gewesen. Wenn er sich recht erinnerte, lagerte hier das Archiv der Collegebibliothek. Das College besaß wertvolle Unikate und Erstausgaben, die man zu Forschungszwecken in einem speziell eingerichteten Raum einsehen durfte, und das auch nur in Begleitung des Personals.
Vermutlich war der Zugang deswegen auch extra gesichert. Auf jeden Fall befand sich neben der Tür ein kleiner Kasten mit einem roten Licht. In einem LED-Display lief die Schrift »Ziehen Sie Ihre Chipkarte durch den Schlitz«.
Chris und Ben sahen sich ratlos an.
»Was nun?«
Ben zuckte die Schulter. »Keine Ahnung. Meine American Express wird ja wohl nicht funktionieren.«
Chris rüttelte versuchsweise an der Tür und drückte die Klinke herunter.
Und zu seiner Überraschung schwang die Tür lautlos auf und durch die Bewegung flammte Licht auf. Bewegungsmelder. Auch hier.
Chris und Ben sahen sich verdutzt an. Hinter der Tür verbarg sich ein Gang, der sich nicht groß von den sonstigen Korridoren des Grace unterschied. Allerdings fühlten sich die Reinigungskräfte offenbar für diesen Bereich nicht verantwortlich, denn es war ziemlich staubig und die Luft war stickig. Der Boden war mit alter Auslegware ausgelegt. Vielleicht hatte er früher eine Farbe gehabt, inzwischen aber hatte er ein schmutziges, irgendwie fleckiges Braun angenommen.
Noch immer standen sie unschlüssig in der Tür.
Stille.
Und was für eine Stille. Fast schon unheimlich. Das Lärmen des Sturmes drang nicht bis hier nach unten.
»Vielleicht kam es doch von woanders . . .?« Benjamin drehte sich unruhig um. »Also ich bin dafür, wieder hoch zu den Mädchen...«
Das Heulen unterbrach ihn.
»Mein Gott«, hörte Chris Benjamin flüstern, »was ist das nur? Hier unten klingt es noch viel gruseliger. He, ich glaube, die Gänsehaut auf meinen Armen werde ich nie wieder los! Ich werde mein Leben lang mit diesen Pickeln auf den Armen herumlaufen müssen... wenn ich diesen Tag überhaupt überlebe. Vielleicht bin ich längst tot...«Es folgte eine lange Pause. »Und dieses Geheule veranstaltet dieser dreiköpfige Höllenhund, der die Pforte zur Unterwelt bewacht. Und was ist das hier für ein Schleim am Boden? Der Geifer, der dem Untier aus dem Maul tropft?«
Chris dachte im
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