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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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hatte, und bliebe unberührt von allem, was in diesem Tal geschah. Dieses Gerede darüber, dass das Tal einen gefangen hält. Robert hatte es einmal die Grace-Krankheit genannt. Alles hier oben ist krank. Und wir verändern uns hier oben.
    Chris wurde übel und schaffte es gerade noch, den Kopf über eines der Waschbecken zu beugen, wo er sich übergab. Oder auch nicht, denn er bekam nichts heraus außer etwas bitterer Galle. Kein Wunder. Seit dem Frühstück hatte er weder etwas gegessen noch getrunken. Die Magensäure war so ätzend, dass er das Gefühl hatte, sie brenne ihm die Speiseröhre weg, und seine Kehle zog sich unter dem bitteren, säureartigen Geschmack zusammen. Und auch als nichts mehr kam, konnte er nicht aufhören zu würgen. Bis er sich schließlich auf den Boden sinken ließ und den Rücken an die kalten Fliesen lehnte. Er riss eine Ladung Papierhandtücher aus dem Halter und wischte sich den Mund.
    Erst als er sicher war, dass sein Magen nicht mehr brodelte, sein Kopf sich nicht mehr drehte, erhob er sich und wusch sich Hände und Gesicht.
    Er wusste genau, was ihn hier oben gefangen hielt. Es war nicht mehr das Tal. Es war einzig und alleine Julia.
    Er sah sich um.
    Das Bild war unverändert. Noch immer lag Ted in der Duschkabine und starrte ihn mit toten Augen an.
    Und Chris konnte nur an das eine denken: Julia! Er musste so schnell wie möglich zurück zu Julia!
    »Benjamin, wir müssen sofort hoch zu den...«
    Er brach ab. Ben war verschwunden. Chris trat durch die Tür in den Umkleideraum und von dort hinaus in den Flur. Noch bevor er am Ende des Korridors Benjamin erkannte, vernahm er einen vertrauten Laut, ein leises Winseln.
    Ike!
    Benjamin hielt die schwarze Dogge in seinen Armen und sah erst auf, als Chris direkt neben ihm stand.
    »Es ist Ike! Ike hat uns hier nach unten geführt«, sagte Benjamin atemlos, während seine Hand immer wieder über das schwarze Fell des Tieres strich. »Und er ist verletzt, Chris! Wir müssen ihm helfen.«
    Chris rührte sich nicht.
    Er dachte an den Morgen zurück. Er selbst hatte beobachtet, wie ihr Philosophieprofessor William Brandon den Hund in seinen Wagen gehievt hatte und weggefahren war.
    Er und Ike waren losgefahren, da war sich Chris sicher.
    Die Dogge konnte gar nicht hier sein.
    »Chris!« Benjamins Stimme wurde schärfer. »Hörst du mir überhaupt zu? Wir müssen Ike helfen!«
    Er deutete auf die Seite des Hundes und nun sah Chris, was Ben meinte. Ike mochte ein schlauer Hund sein, zumindest behauptete das Robert immer. Aber er war nicht schlau genug gewesen, um Teds Mörder aus dem Weg zu gehen. Denn an Ikes linkem Bein klaffte eine tiefe Wunde, aus der Blut strömte.

20. Kapitel
    B enjamins Stimme nahm einen hysterischen Unterton an. »Wir müssen etwas tun, sonst stirbt er. Er hat schon jede Menge Blut verloren.«
    »Es ist doch nur ein Hund«, erwiderte Chris und empfand tatsächlich Gleichgültigkeit. Offenbar hatte Benjamin nicht wirklich verstanden, worum es hier eigentlich ging. Hatte er nicht den toten Wachmann in der Dusche liegen sehen?
    Jemand hatte Ted getötet. Ihn kaltblütig erschossen. Was nichts anderes bedeutete, als dass ein Mörder in diesem Gebäude herumlief!
    Ihm fiel wieder der zweite Wachmann ein, Steve. Er hatte ihn im Schwimmbad gesehen, wo er Gott weiß was getrieben hatte. Und dann diese ständigen Sprüche zu Julia. Ein unangenehmer Typ. Chris erkannte einen Scheißkerl sofort, wenn er ihn sah.
    »Das ist nicht nur ein Hund, das ist Ike!«, hörte er Benjamin protestieren.
    »Ben – merkst du eigentlich, was hier abgeht? Hier läuft irgendein irrer Mörder herum. Und die Mädchen sind da oben allein und ahnen nichts! Ich muss zu Julia!«
    »Julia!« Benjamin sprang auf. »Das ist alles, worum es dir geht, was? Um dich und Julia! Der Rest ist dir scheißegal. Ike – Rose und Debbie. Und ich. Die Show hast du schon einmal auf dem Ghost abgezogen. Du hast alle im Stich gelassen.«
    »Du bist damals auch mit mir gegangen.«
    »Ja, bin ich! Weil ich Angst hatte, ich gebe es zu. Ich hatte Schiss zu erfrieren. Aber jetzt ist es anders. Ich habe da oben nämlich etwas gelernt. Es lohnt sich, um ein Leben zu kämpfen, wie Katie es getan hat. Und wenn es nur das Leben eines Hundes ist. Der uns im Übrigen hierhergeführt hat. Ohne ihn wüssten wir noch nicht einmal etwas von dem Mörder. Hätten keinen blassen Schimmer, was hier abgeht!«
    Chris hörte Ike winseln. Er blickte in diese trüben Augen, die allen Glanz

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