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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Freud vielleicht keine Geschichte gehabt, der er seinen Komplex anhängen konnte.«
    »Das ist sehr amüsant«, sagte Dr. Anthony. »Ich bin froh, Sie kennengelernt zu haben. Ich darf wohl davon ausgehen, daß Sie im allgemeinen keine Befürworterin von Kindermord sind.«
    »Das dürfen Sie«, sagte Kate, die an der Tür stand, während Dr.
    Anthony an ihr vorbeischritt. »Aber wäre Kindermord eine akzeptierte Kulturstrategie, hätte ich schon meine Liste bevorzugter Opfer.«
    Dr. Anthony gab Kate die Hand und ging. Kate, die einen war-tenden Studenten in ihr Büro winkte, mußte sich eingestehen, daß dies keins ihrer besten Gespräche gewesen war. Tatsächlich hatte sie sich ziemlich danebenbenommen. Aber immerhin lief sie keine Gefahr, den Wert von Dr. Anthonys professioneller Meinung zu unterschätzen.
    Als der letzte Student gegangen war, rief Kate Edna Hoskins an.
    »Ich habe nur schnell eine Frage an dich. Eigentlich wollte ich sie dir schon gleich nach Adams’ Tod stellen, habe sie dann aber vergessen«, sagte Kate. »Der Fachbereich Kultur des Mittleren Ostens macht sich in der Levy Hall so breit. Warum gibt es keinen Studien-gang für jüdische oder hebräische Kultur, oder wie das sonst korrekt heißen mag?«
    »Aber Kate! Die Juden haben sich erst nach dem Zweiten Welt-krieg im Mittleren Osten niedergelassen.«
    »Ach ja? Ich dachte, sie wären mit Moses dorthin gekommen, oder auch ohne Moses, jedenfalls auf seinen Befehl, und das Rote Meer hätte sich geteilt oder so.«
    »Ich meine natürlich als Nation«, sagte Edna. »Übrigens hat die Universität ein Zentrum für jüdische Forschungen – finanziell bestens ausgestattet, und es leistet Beachtliches.«
    »Ich verstehe. Nun, entschuldige meine Frage, aber als Professor Adams’ Schwiegertochter über Freud sprach, kam mir die Frage irgendwie in den Sinn. Meine Assoziationen waren schon immer schwer nachvollziehbar. Ein Glück, daß ich nie eine Psychoanalyse gemacht habe.«
    »Kate, meinst du nicht, du solltest dir ein paar Tage Urlaub gön-125

    nen? Setz dich ins Flugzeug und fahr zu Reed, egal, wo er gerade ist.
    Entspann dich einfach.«
    »Reed ist zufällig gerade hier, ich meine natürlich nicht hier in meinem schäbigen Büro, aber er ist in New York. Er faselt ständig etwas von Schüsseln mit Füßeln und ist mir noch weniger eine Hilfe als du. Womit ich natürlich nicht bestreiten will, daß ihr zwei die tröstlichsten Menschen auf der Welt seid.«
    Die Erwähnung ihres schäbigen Büros erinnerte Kate an Adams’
    komfortableres Büro und Reeds Vorschlag, dorthin zu gehen und den Raum auf sich wirken zu lassen. Wahrscheinlich würde es nichts nutzen, aber schaden konnte es genausowenig.
    Sie sammelte ihre Papiere und Habseligkeiten ein und schloß die Bürotür ab. Dabei fiel ihr ein, daß sie ja zur Wachzentrale gehen und sich den Schlüssel zu Adams’ Büro geben lassen mußte, falls es nicht schon an irgendeinen nichtsahnenden, aber hocherfreuten Professor weitergegeben worden war. Büros waren sehr gefragt an dieser städtischen Universität.
    Butler freute sich, sie zu sehen, zumindest beschloß Kate, das zu glauben. »Kennen Sie den Witz von dem katholischen Priester und dem protestantischen Pfarrer?« fragte er, während Kate auf einen Stuhl sank. »Der Priester trifft den Pfarrer auf dem Weg zum Bahnhof und sagt ihm, er brauche sich nicht so zu beeilen, seine Uhr gehe vor.« Es folgte ein längerer Dialog mit und ohne irischen Dialekt, je nach Sprechart von Priester oder Pfarrer. »Und als sie am Bahnhof ankommen«, schloß Butler, »ist der Zug schon fort. Der Priester guckt den Pfarrer an und sagt, das kommt davon, wenn man lieber glaubt als etwas tut.« Kate lachte, mehr aus Erschöpfung als über den Witz, aber vor allem aus Zuneigung zu Butler. »Was kann ich für Sie tun, Frau Professor?« fragte er.
    »Kann ich in Adams’ Büro gehen, oder ist es schon an jemand anderen weitergegeben worden?«
    »Noch nicht«, sagte Butler und gab Kate den Schlüssel. »Soll ich mit Ihnen hochgehen und nachschauen, ob alles in Ordnung ist?«
    »Ich hoffe, das wird nicht nötig sein«, sagte sie. »Aber wenn ich den Schlüssel nicht innerhalb einer Stunde zurückbringe, können Sie ja mal auf dem Weg unter dem Fenster nachsehen.«
    Butler, der dies nicht einmal als einigermaßen witzig aufzufassen schien, brummte nur, als Kate ging.
    Mehrere Leute sahen Kate verwundert an, als sie die Tür zu Adams’ Büro aufschloß, aber niemand sprach

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