Der Sturz aus dem Fenster
sie an. Nachdem sie das 126
Büro betreten hatte, ging sie als erstes zum Fenster und öffnete es.
Der Raum war stickig und heiß. War es an dem Samstag nach Thanksgiving auch so gewesen, als Adams sein Büro betrat? Wahrscheinlich. Trotz der ständigen Klagen der Universität über Geldnot waren die Gebäude immer überheizt. Die Hitze hatte sich wahrscheinlich aufgestaut – über Thanksgiving und den darauffolgenden Freitag, an dem Adams’ Frau nach Kalifornien fuhr und er nicht in seinem Büro war.
Kate setzte sich an den Schreibtisch und betrachtete den Teppich, die Wandbehänge, die Bücher im Regal. Sie zog eine Schreibtischschublade nach der anderen auf. Adams’ Habseligkeiten waren noch darin, aber Kate entdeckte nichts von Interesse, nichts, was sie nicht schon zuvor gesehen hätte. Sie lehnte sich in dem Drehstuhl zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch, so wie sie es manchmal in ihrem eigenen Büro tat, um sich zu entspannen. Sie hätte es sich auch in dem großen Sessel mit der Stehlampe daneben bequem machen können, in dem Adams wahrscheinlich immer gesessen hatte, wenn er über Universitätsfragen oder den Zustand der alten islami-schen Welt nachdachte. Kate war es nie gelungen, in der Enge ihres Büros ihre Gedanken zu sammeln und nachzusinnen. Für so etwas ging sie nach Hause und legte die Füße hoch. Aber in dem Punkt unterschieden Professoren sich eben voneinander. Kate nahm ihre Füße vom Schreibtisch und ging hinüber zu dem Ledersessel, eines jener Modelle, die wie ein ganz normaler großer Sessel aussehen; aber sowie man sich zurücksinken läßt, gibt die Rückenlehne nach, und eine Fußstütze wird automatisch ausgefahren. Kate lehnte sich zurück. Es war sehr bequem. Kate beugte sich über die Armlehne und suchte nach dem Knopf. Wäre ich Angela Lansbury, dachte sie, würde ich jetzt auf einen Knopf drücken, ein Geheimfach des Sessels würde sich öffnen, und eine darin eingeklemmte Notiz käme zum Vorschein, die der Polizei trotz sorgfältigster Suche entgangen war.
Aber nichts kam zum Vorschein. Ich werde mich also doch auf mein Gefühl verlassen müssen, dachte sie und lächelte bei dem Gedanken an Reed. Der Krug mit dem Pflug. Wie hieß die wunderbare Schauspielerin, die die Rolle gespielt hatte?
Das Hämmern an der Tür konnte Kate eine knappe Minute lang in ihren Traum einarbeiten. Sie erwachte und sah einen aufgeregten, aber beherrschten Butler zur Tür hereinkommen.
»Was ist los?« fragte Kate.
»Sie haben gesagt: eine Stunde. Jetzt sind es gleich zwei.«
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Kate sah ungläubig auf ihre Uhr. »Ich muß eingeschlafen sein. So etwas passiert mir sonst nie. Tut mir leid.«
»Was Sie nicht sagen! Ich dachte, die hätten Sie in dem Sessel umgebracht, statt Sie aus dem Fenster zu werfen. Wer hätte dann den Detektiv spielen sollen?«
»Tut mir wirklich leid«, sagte Kate. »Aber es ist ja nichts passiert. Irgendwie suchte ich nach einem Knopf, und dabei muß ich wohl eingeschlafen sein.«
»Hab ich Sie richtig verstanden – nach einem Knopf?« sagte Butler. »Na, wenigstens nicht nach Kobolden und Elfen. Ich glaube, Sie sollten lieber nach Hause gehen.«
»Das glaube ich auch«, sagte Kate und fühlte sich plötzlich so gut wie lange nicht mehr.
»Ich schließe ab«, sagte Butler. »Und Sie sollten mir lieber auch Ihren Schlüssel geben, mit dem Sie hereingekommen sind. Wenn Sie vorhaben, dies hier zu Ihrem zweiten Zuhause zu machen, dann sagen Sie der Wachzentrale Bescheid, ja? Kann ich mich darauf verlassen? Und denken Sie an Housman, Frau Professor: ›Die Augen geschlossen hat die Schattenmacht / Sieht’s nicht, wie der Lebensfa-den durchschnitten wird durch Schicksalsmacht / Eins ist’s der Erde, ob lautes Schlachtgeheul oder tiefe Still / weil sie auch nichts mehr hören will.‹«
»Ich vergesse Housman nicht, Butler. Ein andres Gedicht, ein ganz andrer Reim: ›Das Kampfgeschrei ist lang verstummt/ das einst schlug die tiefe Wund / der Tränenstrom ist lang versiegt / der einst begleitet das ewge Schmerzenslied.‹ «
»Ich glaube wirklich, Sie sollten lieber nach Hause gehen, Frau Professor.«
»Recht haben Sie«, sagte Kate und ging.
Sie war gerade in ihrer Wohnung angekommen, hatte sich einen Martini gemixt und wartete auf Reed, als das Telefon läutete. Es war Mr. Witherspoon.
»Ich habe über Ihre Ermittlung nachgedacht«, sagte er. »Und mir fiel ein, daß es noch einen anderen Teil von Adams’ Leben gab, über den Sie Bescheid
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