Der Sucher (German Edition)
ist«, sagte ich zu ihm. Bestimmt tat es ihm gut, wenn er von seinen Sorgen erzählen konnte.
Wir ließen uns auf den edlen Möbeln aus einem weißen Holz nieder. Aber lange hielt es Janor nicht im Sitzen aus; rastlos sprang er auf und ging im Raum auf und ab. »Ich habe das Gefühl, in der Burg ist alles außer Kontrolle geraten. Meiner Mutter geht es die meiste Zeit zu schlecht, um sie mit Regierungsgeschäften zu behelligen, und eigentlich sollte ich die Entscheidungen treffen ... aber irgendwie laufen die Dinge an mir vorbei, wenn du weißt, was ich meine ...«
Ich erinnerte mich an die Nachricht, die ich in Ekaterin von ihm bekommen hatte. Gab es da nicht noch eine zickige Favoritin für die Nachfolge? »Vielleicht hat diese Hetta schon die Hand im Spiel.«
»Eher ihr Vater und ihr Onkel. Sie beraten meine Mutter, so wie schon die Regentin vor ihr. Ich traue den beiden nicht, aber ich muss leider höflich zu ihnen sein ...«
»Hast du keinen Einfluss darauf, wer die nächste Regentin wird?«
»Nicht viel«, gestand er und zog eine Grimasse.
Es klopfte an der Tür. Ein großer, silberhaariger Mann kam herein; er streifte mich nur kurz mit einem Blick, dann wandte er sich an Janor. »Ich habe ein paar Dokumente zum Unterzeichnen vorbereitet«, sagte er und drückte Janor eine Schreibkohle in die Hand. Janor hatte kaum Zeit, ein paar Zeilen zu lesen, und die Seiten waren so eng und klein beschrieben, dass er nach wenigen Minuten aufgab und alles unterschrieb, was ihm hingehalten wurde.
Hinter dem ersten Mann betrat ein zweiter in den Raum. Ich erkannte ihn sofort und hätte mich am liebsten hinter einem der Vorhänge versteckt. Es war der Mann, der damals in unsere Luftkuppel gekommen war und den Udiko hinausgeworfen hatte. Der mit der bösartigen Ausstrahlung. Er beachtete mich nicht, konzentrierte sich ganz auf Janor.
In Gedanken sprach ich eine Schutzformel an Erin. Wenn ich Glück hatte, ging der Mann gleich wieder, ohne mich bemerkt zu haben. Vielleicht würde er mich auch gar nicht wiedererkennen. Schließlich hatte er mich nur kurz gesehen, und das in einer völlig anderen Situation und vor einer ganzen Weile.
»Tut, was Ihr für richtig haltet, Nemur«, sagte Janor gerade zu dem silberhaarigen Mann. »Ihr habt Recht, Cyprio, wir sollten die Zahl der Truppen in Alaak verstärken, damit es keine Unruhen gibt.«
Schnell waren die offenen Fragen besprochen, und die beiden Männer wandten sich zum Gehen. Sie hatten mich nicht beachtet. Ich wollte schon aufatmen – da sagte Janor stolz: »Nemur, Cyprio, ich glaube, Ihr habt einen Freund von mir noch nicht kennen gelernt. Darf ich vorstellen: Tjeri ke Vanamee. Wie Ihr vorgeschlagen habt, habe ich ihn in die Burg eingeladen ...«
Ich erstarrte in meinem Sessel.
»Ah«, sagte Cyprio, und als er mich ansah, lag hinter seinem höflichen Lächeln Eis. Kein Zweifel, er hatte keineswegs vergessen, dass wir noch eine Rechnung offen hatten. »Ist das nicht der junge Sucher, dem wir die Schwarze Perle verdanken?«
»Ganz recht«, bestätigte Janor, erfreut darüber, dass sie sich seine Geschichte gemerkt hatten.
Ihr Lächeln wurde noch herzlicher, ihr Blick noch kälter. Ich war heilfroh, als sie endlich gingen.
Der junge Sucher, dem wir die Schwarze Perle verdanken . Mir wurde langsam klar, wie ich mir den kalten Empfang verdient hatte. Sie waren der Meinung, dass die Perle die Regentin am Leben erhielt. Und vielleicht tat sie das tatsächlich; wenn jemand fest an etwas glaubt, dann können eigenartige Dinge passieren. Und solange die Regentin am Leben war, musste ihre Nachfolgerin warten.
Janor sorgte dafür, dass ich alles bekam, was ich in der Burg brauchte – natürlich zuallererst standesgemäße Kleidung. Ich ließ mir ein paar Sachen im Dunkelblau meiner Gilde anfertigen und mein Zeichen, den Salamander, in Silber auf den Ärmel sticken. Außerdem bat ich Janor darum, mir aus dem Geschirrbestand der Burg eine Schale aussuchen zu dürfen. Ich wählte eine, die Kensy bestimmt gefallen würde: aus blankem Silber, mit bunten Vögeln und Pflanzenmustern aus Emaille verziert. Per Boten ließ ich sie nach Kowanda bringen. Im Gegenzug kam für mich ein Wühler an. Er war von Joelle.
Liebster Tjeri,
ich mache mir große Sorgen um dich und hoffe, dass es dir in der Felsenburg halbwegs gut geht! Schreib mir ganz bald, ja?
Wir haben herausgefunden, dass die Fehde damals von dem Dorf Vennlo in Nerada ausging. Genau da sind wir gerade. Ich bin mir auch ziemlich
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