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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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Dörflinge niederen Ranges und unbekannte Gäste saßen, aber Janor holte ihn empört an den ersten Tisch. Nun saß er vier Plätze neben Jini – zu weit weg, um sie zu bemerken. Er redete und lachte mit seinen Tischgenossen, aber Mi‘raela spürte, dass er sich nicht völlig wohl fühlte, dass er nur eine Rolle spielte. Anscheinend war etwas dran an dem Gerücht, dass er nicht ganz freiwillig in die Burg gekommen war.
    Auf leisen Pfoten huschte Mi‘raela durch den Saal, erledigte ihre Aufgabe. Währenddessen trugen menschliche Diener Platten mit in Wein gedünsteten Farnsprossen, scharf gewürzter Pilzpastete mit Speck und in Oriak-Butter gerösteter Goldfinkenbrust auf. Köstliche Düfte zogen durch den Saal, und Mi‘raela witterte sehnsüchtig. Aber es würde noch lange dauern, bis sie etwas davon bekam. Erst durften sich die Gäste bedienen, an dem, was übrigblieb, aßen sich die Diener satt, und deren Reste bekamen – meist erst spät in der Nacht – die Halbmenschen in der Burg.
    Jederfreund aß wenig, und den Braten ließ er ganz stehen. Irgendwann entschuldigte er sich und stand auf, wohl, um einem natürlichen Bedürfnis zu folgen. Als er zurückkehrte, näherte er sich dem Tisch von der anderen Seite ... und diesmal bemerkte er Jini. Sie lächelte gerade über eine Bemerkung ihres Sitznachbarn.
    Mi‘raela sah Jederfreund stutzen. Was hatte er? War Jini für Menschenaugen so hübsch, dass sie ihn sofort betört hatte? Nein, das war Jini sicher nicht, Mi‘raela hatte schon oft spöttische Bemerkungen über ihre etwas rundliche Figur gehört.
    Nachher würde sie ihn fragen, was er so Eigenartiges gesehen hatte. Vielleicht. Wenn sie sich traute.
    * * *
     
    Als ich mich wieder an den Tisch setzte, jagten die Gedanken durch meinen Kopf. Die Ähnlichkeit war offensichtlich, jedem, der Joelle kannte und der Augen im Kopf hatte, wäre sie aufgefallen. Und dieses Lächeln – ich hätte es unter Tausenden wiedererkannt. In einem einzigen Atemzug war ich mir sicher, dass mich das Schicksal, mein Lieblingsgott Erin, der Zufall oder wer auch immer zu Joelles Schwester geführt hatte.
    Manchmal muss man auch als Sucher einfach Glück haben, dachte ich und hob meinen Becher, um mit meinem Nachbarn anzustoßen. Zum ersten Mal an diesem Abend musste ich dabei keine Fröhlichkeit heucheln. Während mein Sitznachbar mir irgendeine langatmige Geschichte von einem Jagdausflug erzählte, zu der ich ab und zu nickte, plante ich, wie ich vorgehen würde. Ich musste herausfinden, wie das Mädchen sich hier nannte, was für eine Position es innehatte und wie ich so bald wie möglich ein Vier-Augen-Gespräch organisieren konnte. Letzteres würde nicht einfach werden. Dass die junge Frau am ersten Tisch saß, hieß, dass sie irgendeine Bedeutung in der Hierarchie der Burg hatte – vielleicht wurde sie überwacht.
    Ich verzog mich noch einmal an ein gewisses Örtchen und kritzelte eine Nachricht auf ein Stück Pergament.
Wenn du mehr über deine Vergangenheit erfahren willst, dann sollten wir uns treffen. Heimlich. Schlag einen Ort vor! Tjeri ke Vanamee (Janors Gast aus dem Seenland).
    Mal gucken, was sie darauf erwiderte. Ich hatte die Nachricht absichtlich so formuliert, dass sie nur antworten würde, wenn sie tatsächlich Ynea war. Wenn sie irgendein Mädchen war, das hier in der Burg aufgewachsen war, dann würde der Spruch mit ihrer Vergangenheit sie kaltlassen.
    Ich schmuggelte das Papier in die Tasche ihrer Tunika, als ich mich neben sie über den Tisch beugte – angeblich, um an die restlichen gebratenen Pfeilwurzeln heranzukommen. Dadurch erschien ich zwar ziemlich schlecht erzogen, aber das machte mir nichts aus.
    Das Mädchen merkte, dass ich ihr eine Nachricht zuschmuggelte, und warf mir einen schnellen, misstrauischen Seitenblick zu. Zum Glück tat sie danach, als sei nichts geschehen.
    Noch am gleichen Abend wurde eine Antwort unter meiner Tür hindurchgeschoben. Aufgeregt entfaltete ich die Nachricht.
Heute Nacht. Halt dich bereit. Staubflocke wird dich abholen. Jini.
    Schlaf hätte ich in dieser Nacht sowieso keinen gefunden. Ich legte mich auf mein Bett, ohne mich auszuziehen, und starrte hoch zur Zimmerdecke. Jini nannte sie sich hier also, klang wie eine Abwandlung von Ynea. Vielleicht wusste sie ja sogar selbst, wer sie war? Vielleicht wollte sie gar nicht zurückkehren zu ihren Verwandten ins Seenland, die so schnell beschlossen hatten, sie zu vergessen?
    Als es leise an der Tür scharrte, war ich

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