Der Sucher (German Edition)
gelangte, wieder einmal hatte sein Gefängnis den Besitzer gewechselt. Doch diesmal war es anders als sonst – er spürte eine Erschütterung seiner Macht, ein eigenartiges Vibrieren, als fremde Hände den Gegenstand berührten, in den er gebannt war. Irgendetwas Seltsames ging hier vor. Zuletzt hatte etwas Vergleichbares zu Zeiten des Sturmläufers gespürt, vor vielen Hundert Wintern!
Wiedersehen mit Janor
Das Dhatla schnaubte und scharrte nervös mit den Grabkrallen den Boden auf.
Einen Moment lang hatte ich Gelegenheit, an der Flanke des Berges emporzuschauen. Die Burg – Teil der Alestair-Gebirgskette – war in einem Stück aus dem soliden Fels herausgemeißelt worden. Ihre Front war die Flanke eines Berges; an vielen Stellen sah das Gestein roh und unbehauen aus, an anderen waren Fensteröffnungen, Simse und Balkone zu erkennen.
»Ist der ganze Berg von Tunneln durchzogen?«, fragte ich die Soldaten fasziniert, während sie mich auf das hohe Haupttor zugeleiteten.
Einer von ihnen ließ sich herab, mir zu antworten. »Ja. Fast alle Räume sind unterirdisch. Ziemlich schlechte Luft da drin, manchmal.«
Ich hätte wetten mögen, dass diese Burg eine Idee der Erd-Gilde gewesen war, die lebte ja mit Vorliebe unterirdisch. Vielleicht hatte die Regentin, von der die Burg errichtet wurde, ursprünglich den Erd-Leuten angehört ... Schade, dass über diese frühe Zeit von Daresh so wenig bekannt war ...
Das Haupttor mündete in einen großen, gepflasterten Innenhof, dann ging es hinein ins Innere des Berges. Es war darin nicht so dunkel, wie ich befürchtet hatte. Überall hingen Käfige mit Leuchttierchen. Aber die Burg hatte einen ganz eigenen Geruch nach feuchtem Stein und zu oft geatmeter Luft, der sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt hat. Selbst heute noch kriege ich eine Gänsehaut, wenn ich etwas Ähnliches rieche.
Staunend sah ich, dass die Tunnelgänge in der Burg über ihre ganze Länge mit Reliefs verziert waren, eine Bilderwelt aus Stein begleitete uns. In der Burg waren auch eine Menge Diener unterwegs, sie eilten geschäftig durch die Gänge. Wachsoldaten im Grün-Grau der Regentin und Farak-Alit kamen an uns vorbei. Sogar ein Iltismensch wuselte mit geschmeidigen Bewegungen in die Gegenrichtung und ließ eine Wolke Raubtiergeruch hinter sich. Neugierig musterte er mich aus den Augenwinkeln.
Ich hatte Kopfschmerzen. Auch als ich meine Schläfen mit den Fingerspitzen massierte, besserten sie sich nicht. Seltsam, dass ich mich auf einmal so komisch fühlte. Vielleicht lag es an der schlechten Luft.
»Hier entlang«, sagte der Kommandeur der Farak-Alit und geleitete mich immer tiefer hinein in die Burg. Aber auch höher ging es über zahllose Treppen. Meine Kopfschmerzen ließen nach, und ich vergaß das eigenartige Gefühl von vorhin schnell. Wir gelangten zu Gemächern, die hoch über der Erde lagen. Eine schwere Holztür öffnete sich knarrend vor mir, und plötzlich sah ich wieder Sonnenlicht. Der Raum besaß einen breiten Balkon, und ich erhaschte einen Blick aus schwindelnder Höhe über den Weißen Wald und die grünen Hügel von Alaak.
»Tjeri!« Strahlend kam mir Janor entgegen, schlaksig und rothaarig wie eh und je. Zum Glück versuchte er nicht, mich zu umarmen. »Schön, dass du hier bist!«
»Hallo, Janor«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Er hieß nicht Janor, das wusste ich inzwischen, aber ich hatte mich an den Namen gewöhnt. »So sieht man sich wieder.«
Immerhin merkte er, dass ich nicht bester Stimmung war, und fragte, was los sei. »Nett war das nicht, wie du mich hast herbringen lassen«, meinte ich. »Ich musste eine Suche dafür abbrechen.« ... und das Mädchen zurücklassen, in das ich verliebt bin, fügte ich in Gedanken hinzu.
Er wirkte verdutzt. »Ich habe mich doch schon in meiner Botschaft entschuldigt. Verstehst du nicht, weshalb ich dich hier brauche? Das ist doch eine hohe Ehre für dich.«
»Äh, ja.« Ich war fasziniert davon, wie er dachte. Für ihn war es völlig selbstverständlich, dass alle Menschen nur dazu da waren, ihm zu helfen. Meine Suche interessierte ihn nicht. Was vielleicht besser war, weil ich ihm sowieso nichts darüber erzählen durfte.
Trotzdem merkte ich, wie meine Verärgerung langsam schwand. Du bist einer meiner besten Freunde, hatte er geschrieben. Wie einsam muss jemand sein, der so etwas über einen Menschen sagt, den er erst zweimal gesehen hat? Außerdem mochte ich Janor wirklich.
»Jetzt erklär mal, was los
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