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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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Schriftrolle.
    »Mein Kopf fühlt sich ganz eigenartig an«, meinte ich. »Gibt‘s da was dagegen?«
    Sie ließ ihre Schreibkohle fallen, drehte sich um und musterte mich mit scharfem Blick. »Kommt drauf an. Du bist neu in der Burg, oder? Ich hoffe für dich, dass es nur Kopfschmerzen sind, Junge.« Lange und mit gerunzelter Stirn betrachtete sie das Armband, das mir Udiko geschenkt hatte.
    »Wieso, was kann es denn sonst noch sein?«
    Sie antwortete nicht und bröselte mit finsterer Miene getrocknete Blätter auf ein Stück Pergament, drehte es zusammen und gab es mir. »Hier. Dreimal täglich in heißem Wasser ziehen lassen. Und mach keine Dummheiten, Junge.«
    »Dummheiten?« Verdutzt blickte ich sie an. Aber sie hatte sich schon wieder ihrer Schriftrolle zugewandt.
    * * *
     
    Überall flüsterten sie es in den Korridoren: Janors Gast war eingetroffen. Der junge Sucher, von dem er so viel erzählt hatte. Er sollte an einem Bankett teilnehmen, das am nächsten Abend stattfand. Mi‘raela war neugierig. Sie beschloss, sich zum Dienst einteilen zu lassen, und kauerte sich, um ihre Absicht zu signalisieren, mit gespitzten Ohren vor die Tür des Haushofmeisters.
    »So eifrig heute?« Der Haushofmeister und sein Helfer waren milde verblüfft, besprachen sich schnell. »Eigentlich sollen ja keine Halbmenschen bedienen. Aber wenn sie unbedingt will, dann sei‘s drum, sie kann herumgehen und den Herren und Damen Waldkräuterlikör nachschenken.« Mit überdeutlichen Handzeichen signalisierte der Haushofmeister Mi‘raela, was sie zu tun hatte. »Hier. Da. Das hier. In Gläser kippen. So. Komm den Dienern nicht in die Quere, hörst du!«
    Mi‘raela nickte unterwürfig. Es war eine gute Arbeit. Sie würde immer in Bewegung bleiben und überall herumkommen.
    Am Nachmittag bürstete sie ihr graues Fell, bis es glänzte, und war froh, dass sie sich nicht wie die Iltismenschen der Burg mit aromatischen Kräutern einreiben musste. Aber die Iltisse durften sowieso nie bei Tisch bedienen, dazu waren sie den Menschen gegenüber zu knurrig. An ihnen blieben nur die niederen Arbeiten hängen.
    Der große Saal war festlich in Gelb und Orange geschmückt und mit Kerzen, Girlanden und frischen Zweigen verziert. Die Gäste saßen an drei langen Tischen aus gescheuertem hellen Holz, geschmückt mit Girlanden aus Blättern und Früchten; Besteck und Teller bestanden aus einem dunklen Metall.
    Jini war früh da, setzte sich auf den Platz, der ihr zugedacht war, und hielt schweigend die Augen offen. Als gerade niemand hinsah, tauschten sie und Mi‘raela einen Blick. Mit gesenktem Kopf hastete Mi‘raela herum, bot einen leichten Süßlikör an. Gläser wurden ihr entgegengehoben, während die Dörflinge ihre Gespräche fortsetzten. Niemand beachtete Mi‘raela, sie war genauso unsichtbar wie die anderen Diener.
    Sie erkannte Jederfreund sofort, als er hereinkam. Das musste er sein, der Gast aus dem Seenland – er war der einzige junge Mann im Dunkelblau der Wasser-Gilde. Er schlenderte ein wenig ratlos herum, versuchte, sich zwischen all den fremden Menschen zu orientieren. Gleichzeitig strahlte er aber auch eine ruhige Selbstsicherheit aus, scheu war er nicht. Aufmerksam sondierten seine dunklen Augen den Saal.
    Plötzlich ruhten seine Augen auf ihr. Ein winziges Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, fast unmerklich nickte er ihr zu. Mi‘raela war so verblüfft, dass sie beinahe die Karaffe hätte fallen lassen. Was hatte das zu bedeuten? Wieso lächelte er einer Dienerin zu? Es schien fast, als freue er sich, sie zu sehen!
    Er hob sein Glas, signalisierte, dass er einen Likör wollte. Auf weichen Pfoten glitt Mi‘raela zu ihm hinüber.
    »Hallo«, begrüßte er sie leise, als sie einschenkte. »Schön, mal wieder einen Katzenmenschen zu sehen. Eure Art ist selten bei mir daheim, weil ihr das Wasser nicht leiden könnt. Wie heißt du?«
    Auf einmal wusste sie, dass sie ihn mögen würde. Zwanzig Winter lang hatte in dieser Burg niemand nach ihrem Namen gefragt, nicht mal Jini. Sie wagte kaum, ihn auszusprechen, er klang ungewohnt in ihrem Mund. »Mi‘raela«, flüsterte sie und hörte, wie ihre Stimme zitterte.
    Ein anderer Gast verlangte lautstark nach Likör, und Mi‘raela war froh über die Ablenkung. Sie floh, floh vor diesem Gefühl, dass ihre Seele auf einmal bloß lag.
    Aber danach ließ sie Jederfreund nicht mehr aus den Augen, keinen Moment lang. Der Haushofmeister hatte ihn an den dritten Tisch gesetzt, wo die

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