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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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auf mich einströmen. Die Schmerzen ließen nach, wandelten sich. Wurden zu einem Ruf. Komm, komm, komm . Was konnte das sein? Ich war fasziniert.
    Janor plauderte weiter, er merkte nicht mal, dass ich ihm nicht mehr zuhörte. Kein Zweifel, er hörte den Ruf nicht. Vielleicht hörte ihn niemand außer mir.
    Ich musste herausfinden, was das war. Wer hätte gedacht, dass es hier in der Burg solche Geheimnisse zu entdecken, solche Rätsel zu lösen geben könnte? Ich merkte, wie die Neugier mich packte. Natürlich würde es gefährlich werden. Aber vielleicht war es wichtig. Wenn ich etwas Interessantes entdeckte, war ich es meiner Gilde schuldig, der Spur nachzugehen.
    Ich bekam meine Chance, als Janor zu Ratsgeschäften gerufen wurde. Kaum jemand beachtete mich, als ich durch die Burg schlenderte – manche Leute kannten mich schon und lächelten mir zu. Ein Diener, der mit einer Schale dampfender Speisen durch die Gänge hastete, hatte es so eilig, dass er beinahe mit mir zusammenstieß.
    Komm, komm, komm . Ich zwang mich, entspannt zu bleiben, damit ich den Ruf möglichst deutlich spürte. Neugierig spähte ich in ein paar Räume, aus denen das Signal besonders stark zu dringen schien. Fehlanzeige.
    Erst als ich in einen Seitengang spähte, wurde ich fündig. In der Mitte des Gangs standen zwei Wachen vor einer Tür. So, so. Hier hatte jemand etwas zu verbergen. Nach einem flüchtigen Blick ging ich weiter; die beiden Männer hatten mich nicht bemerkt.
    Komm, komm, komm . Hier, so nah am Ziel, war der Ruf überwältigend stark.
    Ich musste herausfinden, was es war.
    * * *
     
    Zuerst versuchte Mi‘raela es über das Fenster. Vor den meisten verlief ein schmaler Sims. Vielleicht kam sie darüber in eines der benachbarten Zimmer, die nicht verschlossen waren. Aufgeregt richtete sich Mi‘raela auf, stützte die Pfoten auf den inneren Rand des Fensters und spähte nach draußen. Der Sims war schrecklich schmal, nur zwei Menschenhände, und dahinter ging es in die Tiefe.
    Ich bin gut im Balancieren, gut bin ich, versuchte sich Mi‘raela zu beruhigen. Sie spannte ihre Muskeln und sprang mit genau berechnetem Schwung schräg von der Seite auf den Fensterrahmen. Vorsichtig tastete sie sich hinaus auf den Sims. Nicht zögern. Nicht nach unten blicken.
    Ein kühler Wind fuhr ihr ins Fell. Zum ersten Mal seit Jahren schmeckte sie die Luft von draußen, und sie war unbeschreiblich köstlich. Der Himmel war hell, weiß gefleckt wie das Fell eines Schneehörnchens im Herbst, und ein paar hellbraune Vögel schossen in den Aufwinden an der Bergflanke entlang. Mi‘raela setzte eine Pfote vor die andere, lief den Sims entlang, der leider nur zwei Räume verband. Es ging überraschend leicht. Schnell hatte sie die Strecke bis zum nächsten Raum überbrückt. Leise hüpfte sie ins Innere.
    Sie hatte Glück, der Raum war leer – bis auf eine Bolgspinne, die bei ihrem Anblick zu Tode erschrak und sich zu einem Ball zusammenrollte. Sie war schwarz mit beigen Tupfen und etwa so groß wie eine Männerfaust, wenn sie die haarigen Beine an den Körper angezogen hatte. Mi‘raela ignorierte die Spinne. Mit hämmerndem Herzen eilte sie zur Tür, drückte die Klinke nieder.
    Nichts passierte. Abgeschlossen!
    Verzweifelt blickte Mi‘raela sich nach einem Hilfsmittel um, mit dem sie die Tür aufbrechen könnte. Die Bolgspinne, die sie mit einem Auge vorsichtig beobachtet hatte, schloss das Auge hastig wieder und zog ihre acht Beine noch enger an den Körper.
    »Weißt du, wo der Schlüssel ist?«, herrschte Mi‘raela sie in ihrer Sprache an. Bolgspinnen konnten zwar nicht reden, aber sie verstanden eine ganze Menge. Leider war die Spinne zu verängstigt, um ansprechbar zu sein. Sie zuckte zusammen, entknotete ihre Beine und floh aus dem Fenster.
    Mi‘raelas Hoffnung verflog langsam, gerann zu Verzweiflung. Wo Jederfreund jetzt wohl sein mochte? War er schon dabei, in sein Verderben zu laufen? Sie musste versuchen, um Hilfe zu rufen. Die Wände waren dick, aber vielleicht hörte sie trotzdem jemand, der gerade im Gang vorbeikam.
    Sie setzte sich auf und holte tief Luft. Mit vibrierender Kehle stimmte sie zum ersten Mal seit vielen Wintern den Warngesang an. Ein schrilles, an- und abschwellendes Jaulen, das ihre Art nur bei Kämpfen auf Leben und Tod erklingen ließ.
    * * *
     
    Ich rätselte, wie ich die Wachen von der Tür wegbekäme. Mit Gewalt jedenfalls nicht. Aber vielleicht mit einem Trick.
    Ich zog mich in einen leeren Raum in der

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