Der Sucher (German Edition)
einem Tropfstein geendet, wenn mich nicht ein kräftiger Fangarm um den Fußknöchel gepackt hätte. Bevor ich ein letztes Mal Luft holen konnte, zerrte Ri‘naldus mich in einen der Unterwassertunnel. Ich wusste nicht mehr, wo wir entlangschwimmen mussten. Ich wusste nicht mal mehr, wo oben und unten war.
Irgendwann spürte ich den Griff von meinem Fuß abgleiten. Wir mussten uns wieder selbst helfen. Hoffentlich lebte Janor noch! Ich spürte einen starken Sog, der mich mitriss. Selbst ein besserer Schwimmer als ich hätte keine Chance gehabt, dagegen anzukommen. Normalerweise hätte ich mit den üblichen Tricks versucht, der Hauptströmung zu entrinnen. Doch diesmal ließ ich mich einfach treiben, vertraute mich dem reißenden Wasser und Garioch, dem mächtigen Gott der Strömung, an. Je weiter mich der Sog vom Herrn der Quallen wegbrachte, desto besser ...
Mein Körper begann, nach Luft zu schreien, ich spürte, wie mir schwindelig wurde. Verzweiflung kroch in mir hoch. Wenn ich jetzt noch ertrank, war das Schicksal – aber ich wollte auf keinen Fall als Zwischenmahlzeit dieses Irren enden!
Die Strömung wurde noch stärker, der Schacht enger. Einen Wimpernschlag später wurde mir klar, wo ich war und was vermutlich gleich passieren würde. Ich rollte mich zusammen, so gut es in dem Schacht ging, und versuchte, meinen Kopf mit den Armen zu schützen. Wenn es ein richtiger Geysir gewesen wäre, hätte ich die Sache trotzdem nicht überlebt. Doch Ri‘naldus hatte genau gewusst, wo er mich ablud. Der Schacht spuckte mich in einem kaum mehr als menschenhohen Wasserschwall auf die felsige Ebene; ich holte mir nur ein paar blaue Flecken. Keuchend lag ich eine Weile da, rang nach Luft und dachte viele nette Dinge über Halbmenschen.
Einen Steinwurf entfernt lag Janor. Auf Händen und Knien kroch ich zu ihm hinüber. Er war nur ohnmächtig, und ich kriegte ihn mit einer Beatmung und Wiederbelebungsmassage wieder hin.
»Fürchte, wir müssen los«, sagte ich, als er wieder etwas wacher dreinblickte. »Wäre nicht so toll, wenn wir verfolgt würden und der Herr der Quallen uns irgendwie doch noch erwischt.«
Janor nickte. Schwankend kam er auf die Füße, und wir machten uns davon. »Keiner wird mir das glauben«, sagte er wieder und wieder. »Die meiste Zeit über dachte ich, ich träume. Aber ich hatte auch schrecklichen Hunger. Natürlich hat er mir nichts gegeben, nur der Krake hat mir mal einen rohen Fisch gebracht und sich schrecklich darüber beschwert – anscheinend gibt‘s in der Gegend sehr wenig Fische, die reichen gerade mal für ihn selbst. Ich habe zwei Tage lang nichts gegessen.«
Manche Leute macht überstandene Gefahr geschwätzig; sah so aus, als gehörte er zu der Sorte. »Besser als die sonstige Verpflegung da unten«, meinte ich und ließ mir ausführlich erzählen, was Janor in der letzten Woche erlebt hatte. Kein Zweifel, er hatte für seine Neugier gebüßt!
Nach einem halben Reisetag schätzte ich, dass wir außer Reichweite unschöner Überraschungen waren. Endlich konnten wir uns ausruhen. Völlig erschöpft ließ sich Janor auf dem Wasser treiben. Anscheinend hatte er ein paar Sachen gelernt, seit er im Seenland war – meist dauert es eine Weile, bis Leute aus anderen Provinzen das Driften richtig können.
»Was hast du eigentlich am Schwarzen Fluss gewollt?«, fragte ich ihn.
»Schwarze Perlen – irgendwie kam es mir logisch vor, sie dort zu suchen«, antwortete er, und seine Stimme klang plötzlich seltsam, so als hätte er am liebsten geweint. »Ich habe gehört, dass sie Zauberkräfte haben. Dass sie Menschen heilen können.«
Einen Moment lang konnte ich ihn nur ungläubig anstarren. Er hatte sich in diese Gegend gewagt, um Schwarze Perlen zu suchen, die es hier weit und breit nicht gab und die wahrscheinlich sowieso nichts bewirken konnten! Und für so einen Trottel hatte ich mich in Lebensgefahr begeben?
Doch fast sofort schämte ich mich für den Gedanken. »Wen willst du denn heilen?«
Janor zögerte lange mit der Antwort. Dann sagte er leise: »Meiner Mutter geht es nicht gut. Die Krankheit frisst sie von innen auf und wird sie irgendwann töten. Ihr Heiler sagt, viel mehr als ein halber Winter bleibt ihr nicht mehr.«
»Das ist schlimm«, brachte ich gerade noch so heraus. Meine Gedanken wirbelten umher wie Blätter im Sturm. Seine Mutter, die Regentin? Die Regentin schwer krank? Wieso wusste niemand davon? Was ergab sich daraus? »Vielleicht reist du besser zur
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