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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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Tag erreichte ich die Insel, auf der ich ihn zurückgelassen hatte, erst in der Dämmerung. Durch das schlechte Licht bemerkte ich zu spät, dass Uu‘war ein Zeichen zurückgelassen hatte.
    Ich entdeckte es erst, als ich schon draufgetreten war und es unter meinem bloßen Fuß knacken fühlte. Erschrocken hob ich den Gegenstand auf und nahm ihn mit nach Hause; erst dort hatte ich Gelegenheit, ihn gründlich anzuschauen. Er bestand aus kunstvoll zu einem Stern arrangierten und mit kleinen Ästen verbundenen Blättern. Eine der Zacken war länger als die anderen.
    Udiko hob die Augenbrauen, als er es sah. »So, so, dein Schützling hat also überlebt«, meinte er. »Das da ist übrigens eine Einladung. Die längere Zacke deutet die Richtung an, in der das Nest liegt.«
    Eine Einladung? Mein Herz begann, vor Freude und Aufregung heftig zu pochen. Doch dann stöhnte ich auf. »Brackwasser, ich weiß nicht, wie es gelegen hat, bevor ich draufgetreten bin!«
    Es hätte womöglich Wochen gedauert, das richtige Nest ausfindig zu machen. So lange gab Udiko mir nicht frei. Sah so aus, als hätte ich meine Chance verpasst; wahrscheinlich würde ich Uu‘war nie wieder sehen.
    Doch ich ärgerte mich nicht lange darüber, denn an diesem Tag bekam ich zum ersten Mal die Folgen meiner letzten großen Suche zu spüren.
    Das Wasser war klar an diesem Tag, und so merkten wir schnell, dass über uns ein kleines Boot driftete. Kurz darauf tauchte jemand mit ungelenken Bewegungen zu unserer Kuppel herunter. Der Besucher trug eine braune Schwimmhaut, die zwar sehr teuer gewesen sein musste, aber nicht gut saß und viel zu lose seine dürre Gestalt umhüllte. Sein Körper schien ständig fast unmerklich in Bewegung zu sein, und auch seine Augen hielten keinen Moment still. Er hatte einen unangenehmen, lauernden Blick, den ich unwillkürlich mit den ruhigen goldenen Augen des Krötenmenschen verglich.
    »Mein Name ist Cyprio«, stellte der Mann sich vor. »Gesandter der Regentin. Wollte mich in ihrem Namen bedanken.«
    Na immerhin. Einen Lohn hatten wir für die Suche bisher nicht bekommen, aber vielleicht kam das noch. Ich beschäftigte mich damit, den Besucher genau in Augenschein zu nehmen. Die Nase und Wangen des Mannes waren von winzigen rötlichen Adern durchzogen. Über seine Nase zog sich eine alte Narbe, und er hatte eine eigenartige Hautfarbe, sehr blass und teigig, als würde er nicht oft das Tageslicht sehen. Vermutlich wurde man so, wenn man in der Felsenburg lebte.
    »Was für ein Glück, dass Ihr den Sohn gefunden habt. Wir haben ihn bereits zurückgeschickt in Richtung Heimat«, sagte er, machte einen langen Hals und sah sich mit schnellen, ruckartigen Blicken um. So, als würde er abschätzen, was es hier zu Stehlen gibt, dachte ich mit instinktiver Abscheu. Ich hatte in meinem ersten Winter bei Udiko Hunderte von Menschen kennen gelernt, freundliche, schroffe, gleichgültige, ehrliche, abgebrühte und – so wie der Herr der Quallen – verzweifelte. Doch dieser Mann war anders, auf eine unheimliche Art anders. Ich spürte etwas in ihm, das mir überhaupt nicht gefiel.
    »Die Regentin ist Euch zu Dank verpflichtet«, fuhr der Mann fort, streifte mich mit einem Blick und wandte sich dann Udiko zu. »Was für einen Lohn wünscht Ihr, Sucher?«
    An Udikos Haltung und seinem steinernen Gesichtsausdruck merkte ich, dass wir uns einig waren. Der Lohn interessierte uns nicht. Wir wollten diesen Kerl nicht in der Kuppel haben. Auch wenn er ein Gesandter der Felsenburg war und es unhöflich schien, ihn im Vorraum stehen zu lassen.
    Doch er glitt einfach ohne Aufforderung über die Schwelle in den Gang, der an zwei Seitenkammern vorbei zum Wohnraum führte. Seine Bewegungen waren geschmeidig wie die einer Natter.
    »Der Sohn ist manchmal ein arger Tollpatsch – wir haben schon längst damit gerechnet, dass er sich mal das Genick bricht«, sagte er und spähte in die linke Seitenkammer. Flink ergriff er eine kleine, silberweiße Feder und strich sie sich über die Haut. »Wisst Ihr, wie man Pfadfinderfedern richtig pflegt? Ihr müsst sie in Kieselwasser tauchen und drei Tage darin liegen lassen. Dabei darf man die Formeln zum Mondaufgang nicht vergessen ...«
    Luft-Gilde also, dachte ich und beobachtete angeekelt, wie er die Feder drehte. Udikos Ausdruck wurde noch finsterer. Ich wusste warum: Udiko hatte die Feder als Dank von einer sterbenden jungen Frau bekommen, deren Mutter er gerade rechtzeitig gefunden und an ihr Lager

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