Der Sucher (German Edition)
ihm Joelle ein kleines Lächeln. »Na, was ist? Können wir endlich los, Tjeri?«, fragte Merwyn – obwohl er mich hatte warten lassen – und hängte sich ohne Mühe seine Tasche quer über die Schulter. Faszinierend, wie dieser Kerl es jedes Mal schaffte, mir die Laune zu verderben. Gestern hatte ich Joelle praktisch das Leben gerettet, und auf den Dank, geschweige denn ein Lächeln, wartete ich immer noch!
»Pass auf dich auf – denk an Chisaai«, flüsterte mir Fyona zum Abschied ins Ohr. Ich merkte, dass Merwyn mich und Fyona genau beobachtete und die Ohren spitzte. Brackwasser , dachte ich. Der hat gestern schon Verdacht geschöpft, dass wir etwas Vertrauliches besprochen haben! Wahrscheinlich wird er erst Ruhe geben, wenn er herausgefunden hat, was ich zu verbergen habe ...
Nach dem Frühstück brachen wir auf. Meine Füße fühlten sich ein klein wenig besser an, nachdem ich sie gestern noch mal dick mit Salbe eingeschmiert hatte. Vielleicht gewöhnten sie sich endlich ans Festland. Zu meiner Überraschung lief Merwyn diesmal nicht so weit voraus. Ich machte mir keine Illusionen darüber, warum. Er und Joelle waren in ein Gespräch vertieft, und wir wussten alle drei, dass Joelle mich nicht zurücklassen würde.
Nachdenklich und schweigsam hinkte ich hinter den beiden her und dachte über die silberne Schale und meine große Suche nach. Eins war klar – es machte nicht viel Sinn, den ausgetretenen Pfaden meiner Vorgänger zu folgen. Ich ahnte, dass es nichts bringen würde, all den bekannten Käufern der Schale nachzuspüren und zu versuchen, den Faden dort aufzunehmen. Diese Spur war längst kalt und tot. Aber was sollte ich stattdessen tun? Ich konnte nicht einfach auf gut Glück durch die Gegend reisen und willkürlich Leute fragen, ob sie so einen Gegenstand gesehen hatten. Mittlerweile wunderte mich nicht mehr, dass so viele Sucher an dieser Aufgabe gescheitert waren! Was wohl Chisaai richtig gemacht hatte? Ich wünschte, ich könnte Udiko um Rat fragen.
Ein paar Schritte vor meinen Füßen bohrte sich etwas durch die Erdoberfläche. Ein kleiner Haufen Sand rieselte zur Seite, als ein braunfelliges Tierchen den Kopf in die Luft streckte. Es blickte mich an, fiepte und begann, auf mich zuzukriechen. Mit offenem Mund beobachtete ich es.
»So, so, du hast einen Wühler bekommen.« Merwyn reckte den Hals. »Mit wem korrespondiert der Herr denn?«
»Gönn deiner Zunge mal ´ne Pause, Merwyn, tu mir den Gefallen«, schoss ich zurück und war dankbar für das Stichwort. Mir fiel ein, dass Wühler im Trockenland dazu benutzt werden, um Nachrichten zu überbringen – sie hatten die gleiche Funktion wie Salamander bei uns. Ich hockte mich auf den Boden, streichelte den Wühler, bedankte mich bei ihm und nahm ihm vorsichtig die silberne Kapsel ab, die er am Hals trug.
Meine Reisegefährten kugelten sich fast auf dem Boden vor Lachen. »He, der arme Kleine sieht richtig verdutzt aus!« Merwyn schlug sich auf die Schenkel. »So einen Empfang hat er wahrscheinlich noch nie erlebt! Sag mal, hast du noch nie einen Wühler bekommen, Tjeri?«
Ich ließ mich nicht ablenken und überflog, was auf dem Pergament stand.
Sei gegrüßt, Tjeri -
inzwischen bin ich wieder in der Felsenburg. Sie ist ein düsterer Ort und für mich voller schlimmer Vorahnungen. Aber du hattest Recht, meine Mutter braucht mich jetzt. Ich habe ihr deine Perle gegeben und habe das Gefühl, sie tut ihr gut.
Unglaublich, was für Machtkämpfe hier stattfinden. Du weißt sicher, dass meine Mutter keine Tochter hat, deshalb ist ihre Nachfolge noch ungeklärt. Ein schreckliches Mädchen namens Hetta liegt leider ganz gut im Rennen. Ich versuche, mich aus dem größten Teil der Intrigen herauszuhalten, aber es ist nicht ganz einfach.
Hoffe, es geht dir gut,
dein Freund Janor
Ich war erstaunt, dass er sich meldete. Ehrlich gesagt hatte ich nicht mehr an ihn gedacht – sobald ich eine Suche erfolgreich abgeschlossen habe, konzentriere ich mich mit aller Kraft auf die nächste.
Als ich mir den Brief ein zweites Mal durchlas, bekam ich Mitleid mit Janor. Sein Brief klang furchtbar einsam und traurig. Ein netter Kerl wie er hatte es zur Zeit nicht leicht in der Felsenburg. Im Nachhinein staunte ich darüber, dass er so mutig und offen gewesen war, aus dieser Umgebung auszubrechen und Daresh zu erkunden. Noch war er nicht verdorben durch die Macht.
Als ich merkte, dass Merwyn versuchte, über meine Schulter zu spähen, steckte ich das Pergament
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