Der Sucher (German Edition)
Tjeri, los, tu was! Kannst du nicht ihren Paarungsruf nachmachen oder so?«
Ich verzog das Gesicht. »Ich habe vor fünfzig Atemzügen zum ersten Mal ein Miramao gesehen; wie, beim Brackwasser, soll ich wissen, wie ihr Paarungsruf klingt?!« Höchstens den Ruf eines Skagaroks konnten sie haben, mein geflügelter Freund kreiste über dem Fluss und beobachtete alles, was geschah.
Schließlich entschieden wir, dass einer von uns mit einem frischen Fisch zurückklettern sollte, um die Miramaos herauszulocken. Joelle raste zum Fluss zurück und fing den Fisch – mit der bloßen Hand, wie sie nachher erzählte. Wir losten schnell aus, wer zu den Miramaos reingehen sollte – so richtig scharf darauf war keiner von uns. Es hatte sicher einen Grund, warum schon länger niemand mehr bei ihnen im Käfig gewesen war.
Das Los traf mich. Also schlich ich mich mit dem Fisch noch einmal in die Zuchtstation – und sah mich Auge in Auge einem verblüfften Pfleger gegenüber, der mit einem Wassereimer in der Hand um die Ecke bog. »He!«, stieß er hervor, holte tief Luft und brüllte: » Wachen!«
Ich drehte mich um und rannte. Aber zehn Menschenlängen vor dem Zaun ging es plötzlich nicht mehr weiter. Ich stand einem Miramao gegenüber, das über mir aufragte und ungnädig mit gelben Reptilienaugen auf mich herabblickte. Lautlos musste es seinen Käfig verlassen haben. Es öffnete die schmale, vogelartige Schnauze, stieß ein Brüllen aus, das mir beinahe die Ohren sprengte, und schnappte schnell wie eine Schlange nach mir. Oder eher, wie sich gleich herausstellte, nach dem Fisch in meiner Hand. Verdutzt blickte ich auf die Schwanzflosse hinab, die ich noch hielt, der Rest war zwischen zwei riesigen, hornigen Kiefern verschwunden. Ich hatte Glück, dass meine Hand noch dran war!
Jemand packte mich von hinten. Zwei Wachen hatten mich erwischt und versuchten, mir die Arme auf den Rücken zu biegen und mich auf den Boden zu ringen. Ich wehrte mich heftig, ahnte aber, dass es keinen Sinn hatte. In wenigen Atemzügen würden weitere Wachen zur Stelle sein. Verdammt!
Doch dann sahen wir, dass nun auch die beiden anderen Miramaos schwerfällig aus ihren Gehegen watschelten. Wahrscheinlich hatte das Brüllen sie aufgeschreckt. Auf uns achteten sie nicht, aber als sie das dritte Tier sahen, bogen sie die Hälse durch, zischten und schlugen ungeschickt mit den Flügeln. Anscheinend war auch an der Behauptung was dran, dass sie Artgenossen nicht ausstehen konnten.
Ich nutzte die Schrecksekunde der Wächter, strampelte mich frei und sprintete auf den Zaun zu. Die Wächter rasten in die andere Richtung. Gerade noch rechtzeitig, bevor die drei Miramaos zähnefletschend und brüllend aufeinander losgingen. Ineinander verkrallt rollten und stampften sie über das Gelände. Innerhalb weniger Atemzüge hatten sie dabei die Weidenkäfige platt gewalzt und nebenher noch ein paar Bäume umgerissen. Auch ein Stück Zaun musste dran glauben, als einer der Miramaos dagegen prallte. Ich konnte mich gerade noch ducken, bevor ich versehentlich einen Schlag mit einer riesigen Pranke abbekam.
»Renn, Tjeri, renn!«, brüllte Joelle.
Das tat ich sowieso schon. Ein paar Atemzüge später erreichte ich den Zaun. Merwyn und Joelle zogen mich so schnell darüber, dass ich auf der anderen Seite zwei Menschenlängen tief fiel und durchs Gras kullerte.
»Nichts wie weg hier, diese Biester sind ja gemeingefährlich«, keuchte Merwyn.
Auf halbem Weg Richtung Fluss sahen wir, dass die Miramaos aufflatterten, in der Luft weiterkämpften und dann hastig in verschiedenen Richtungen davonflogen.
»Na also«, seufzte ich. Eins war sicher – wir hatten dem geheimen Zuchtprogramm einen herben Rückschlag verpasst. Und die Erd-Gilde würde es sich vermutlich dreimal überlegen, bevor sie es mit diesen rabiaten Wesen noch mal probierte. Die Miramaos konnten in aller Ruhe zum zweiten Mal aussterben.
* * *
Zwei Tage später fragte Großfrau Jini, ob sie gerne Regentin werden würde. Mi‘raela erfuhr es noch am selben Abend, denn Jini musste sich dringend aussprechen.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, seufzte sie. »Erst war ich begeistert – na ja, du weißt schon, die mächtigste Frau Dareshs zu werden, ist schon was. Aber als ich nachgedacht habe, ging mir auf, dass mich der Thron eigentlich gar nicht reizt. Was ich bisher vom Regieren gesehen habe, war so langweilig wie Wollsocken.«
»Hm, ja«, sagte Mi‘raela, wartete ab und fuhr fort, ihre
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