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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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waren wohl kurz nach der Geburt gestorben oder als nicht zuchtfähig getötet worden. Mit spitzen Fingern zog Merwyn ein kleines geflügeltes Exemplar, das noch ziemlich frisch aussah, aus der Grube und stopfte es mit gerümpfter Nase in seine Tasche. »Beweismittel«, erklärte er knapp.
    Ein paar Meter weiter stießen wir auf ein aus Brettern gebautes, fensterloses Langhaus. Vorsichtig öffnete Joelle die Tür und spähte herein. »Eier!«, berichtete sie. Tatsächlich – in langen Holztrögen, durch die ständig frisches Wasser floss, lagerten Dutzende von faustgroßen, grünschaligen Eiern. An der anderen Wand stapelten sich bis zur Decke Weidenkäfige, wahrscheinlich Quartiere für die überlebenden Jungtiere. Es roch modrig.
    Merwyn ließ zwei der Eier in seine Tasche gleiten, dann schlichen wir weiter zu den Weidenkäfigen, die sich wie die Kuppeln von Erdhäusern über dem Boden erhoben. Neugierig spähte ich durch die geflochtenen Gitter, die mit Zweigen vor der Entdeckung aus der Luft getarnt waren. Im grünen Halbdunkel sah ich einen großen, geflügelten Körper, der fast bewegungslos auf dem Boden kauerte, umgeben von halb skelettierten Fischen. Fasziniert beobachtete ich das Tier. Ein Miramao! Sie hatten tatsächlich geschafft, ein Miramao zu züchten! Ein Tier, das es auf Daresh angeblich zuletzt vor Hunderten von Wintern gegeben hatte!
    Aber wie sie es behandelten, war schändlich. Das arme Vieh hatte kein Wasser zur Verfügung ,und der Käfig war gerade mal doppelt so groß wie es selbst. Auch sein Futter schien nicht gerade frisch, die toten Fische stanken zum Himmel. Ich fand es unerträglich, ein Wasserwesen so gequält zu sehen, und sandte eine Verwünschung an die Adresse seiner gewissenlosen Pfleger.
    Drei der großen Käfige waren mit Tieren belegt, die mehr oder minder wie Miramaos aussahen, fünf weitere Käfige waren leer. Einer davon war schwer beschädigt, die Gittertür aus den Angeln gerissen – der Insasse war geflohen. Auch die meisten der kleinen Weidenkäfige, die weiter hinten standen, erwiesen sich als leer. Sah so aus, als hielt sich der Zuchterfolg bisher in Grenzen. Die drei ausgewachsenen Tiere und die Eier waren alles, was die Verschwörer hatten. Und das waren genau drei Tiere zu viel.
    »Vorschlag – wir holen erstmal die drei Miramaos aus den Käfigen und lassen sie frei«, flüsterte ich. »Wenn sie davonfliegen, schaffen die Kerle hier es nie, sie wieder einzufangen. Dann sind die Eier dran, ich fürchte, die müssen wir zerstören.«
    Joelle sah hoch zur Sonne, schätzte die Zeit. »Aber wir müssen schnell machen. Die Wachen kommen gleich wieder vorbei.«
    Ich und Merwyn glitten zu den Käfigen, während Joelle in Richtung der Ausbrütstation schlich. Die Gittertüren waren mit dicken Seilsträngen gesichert, die sich mit dem Messer kaum durchschneiden ließen. Es sah so aus, als wären die Käfige schon sehr lange nicht mehr geöffnet worden – das würde auch erklären, warum darin so viel Unrat herumlag.
    Aus dem Käfig drang ein übellauniges Knurren, als wir uns näherten. Anscheinend stimmte es, dass Miramaos meistens schlechte Laune hatten.
    Es war schwül am Fluss, und Fiebermücken schwirrten um mich herum. Zum Glück war meine Kleidung durch die Flussüberquerung noch schwer und nass und angenehm kühl auf der Haut. Ich wischte mir schnell den Schweiß ab, ignorierte die Mücken und das Miramao und säbelte verbissen an den Seilen herum. Wie viel Zeit hatten wir noch, bis die Wachen eintrudelten? Ich wusste es nicht.
    Schließlich riss einer der Seilstränge. Ermutigt machte ich mich an den zweiten.
    Merwyn war mit seiner Salisar-Klaue schneller als ich, er schaffte die beiden Käfige in Rekordzeit und zerrte die geflochtenen Türen auf. Auch Joelle war fertig mit ihrer unschönen Aufgabe. Zu dritt liefen wir zum Zaun und hangelten uns keuchend daran hoch. Dann legten wir uns auf der anderen Seite ins Gebüsch und warteten gespannt darauf, was in der Zuchtstation passieren würde.
    Es passierte nichts.
    Gar nichts.
    Die Miramaos blieben in ihren Käfigen und rührten sich nicht. Sie steckten nicht mal die Schnauzen nach draußen, um zu sehen, wie das Wetter war.
    »Vielleicht sind sie zu geschwächt, um wegzufliegen«, vermutete ich besorgt.
    »Vielleicht sind sie aber auch nur feige«, brummte Merwyn. »Sie trauen sich nicht raus.«
    Joelle stöhnte. »Wenn sie nicht bald verschwinden, kommen die Wachen vorbei und verbarrikadieren die Käfige wieder ...

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