Der Sucher (German Edition)
Krallen an einem alten Holzregal zu schärfen.
»Andererseits will ich auch nicht, dass Hetta regiert. Dann können Cyprio, Nemur und die anderen Schwarzen Kutten mit Daresh machen, was sie wollen. Sie werden es zu Grunde richten!«
»Haben sie fast schon«, fauchte Mi‘raela und dachte an die Gildenfehden und die Art, wie Halbmenschen außerhalb der Burg gejagt wurden. »Was wirst du tun?«
»Ich glaube, ich werde annehmen.«
Mi‘raela schnurrte. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung für sie, ihre Brüder und Schwestern! »Tapfer. Ich helfe dir, so gut ich kann.«
Sie wusste, dass sie dabei die Hilfe der Brüder und Schwestern brauchen würde, und schlich sich in dieser Nacht zu einem der Treffen.
Zum Glück waren die anderen Halbmenschen neugierig und vergaßen ganz, ihr wegen der Menschenwelpin Vorwürfe zu machen. »Stimmt es, was man hört – dass Nachtmädchen Regentin werden könnte?«, wollte Cchrnoyo wissen, der alte Iltismensch.
»Ja, es stimmt«, erklärte Mi‘raela. »Wir müssen sie unterstützen, das müssen wir!«
»Ich mag keine Menschenwelpin unterstützen«, murrte einer der Natternmenschen. »Was ist an ihr so besonders? Hat sie schon mal etwas für einen von uns getan?«
»Sie hat mir mal das Fell von Brennwasser saubergemacht«, berichtete Mi‘raela. »Aber wichtiger ist, dass sie uns mag. Schrillstimme mag uns nicht. Wenn sie Regentin wird, dann wird gar nichts besser werden.«
»Na gut«, sagte Cchrnoyo. »Wir helfen.«
Mi‘raela war froh über seine Entscheidung, denn schon am nächsten Tag begannen die Schikanen. Als erstes fingen die Schwarzen Kutten an, Gerüchte über Jini zu verbreiten. Auf einmal hieß es, sie verschweige ihre Vergangenheit, weil sie in einem Soldatenlager den Männern gegen Geld zu Diensten gewesen sei. Als sich Jini in dieser Nacht mit Mi‘raela traf, weinte sie. »Wie können sie nur so was über mich sagen!«
»Das war erst der Anfang«, erklärte Mi‘raela mitleidig.
»Na, wunderbar.« Jini schlug sich mit den Fäusten gegen die Stirn. »Wieso weiß ich nur nicht, wo ich früher gelebt habe? Was ist mit meinem blöden Kopf los? Ich muss doch irgendwo hergekommen sein!«
Mi‘raela schwieg. Darauf gab es keine Antwort, nicht hier in der Burg.
Wie sie geahnt hatte, heckten die Schwarzen Kutten bald weiteres Unheil aus. Bei den Feierlichkeiten zum Thronjubiläum der Regentin konnte Mi‘raela gerade noch verhindern, dass Jini viel zu spät kam – man hatte ihr eine falsche Anfangszeit gesagt. Kurz vor einem Festbankett ruinierte die Wäscherei versehentlich Jinis gute Kleider, und sie musste in einer ganz schlichten, sandfarbenen Tunika teilnehmen, über die alle die Stirn runzelten.
Als ausgleichende Gerechtigkeit sorgten die Halbmenschen dafür, dass Spinnenfinger selbst dem Fest fernbleiben musste. Er hatte zu spät festgestellt, dass jemand seiner Seife Nachtholzsaft beigemischt hatte, und mit hässlichen grauen Flecken im Gesicht feierte es sich nicht gut!
Am Tag darauf wurde eine wichtige Nachricht von Großfrau an Jini einfach nicht überbracht, und es hieß, Jini habe sie verschludert. Auch die Bücher, die Jini für ihren Unterricht brauchte, waren nicht mehr aufzufinden – wie sollte sie so ihre Übungsaufgaben machen? Hastig sagte Mi‘raela Büchermann Bescheid, was los war, und er brachte es fertig, die Schriftrollen wiederzubeschaffen. Dafür blamierte sich Jini beim Kartenzeichnen – ihre Schreibfeder, sonst einwandfrei, lief auf der ganzen mühevollen Arbeit aus.
Diese kleinen Schikanen, die sich vermutlich Schrillstimme ausgedacht hatte, bereiteten Mi‘raela dennoch kaum Sorgen. Spinnenfingers Taktik war viel raffinierter. Kurz darauf bat der Koch Jini, bei einem großen Essen in der Küche auszuhelfen, und Jini versprach es ihm. Spinnenfinger sorgte dafür, dass alle wichtigen Leute sahen, wie sie verschwitzt und dreckig am großen Ofen arbeitete.
»Wieso hast du das gemacht, wieso, ohne mich vorher zu fragen?«, fragte Mi‘raela ihre Freundin beim nächsten Gespräch in den Tiefen der Burg. »Dadurch denken jetzt alle, sie ist eben doch nur eine Küchenhelferin! Du hast Spinnenfinger voll in die Hände gespielt!«
»Der Koch war immer nett zu mir, ich wollte ihm helfen«, verteidigte sich Jini.
Mi‘raela hielt wie immer die Ohren offen – und stellte nach zwei Wochen erschrocken fest, dass die Rechnung der Schwarzen Kutten aufging. Kaum jemand hielt Jini noch für eine mögliche Herrscherin. Natürlich konnte die
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