Der Suender und die Lady
teilen? Das wirkt knauserig. Du weißt doch, dein Vater wünscht nicht, dass wir jemals knauserig erscheinen. Er war völlig grundlos böse mit mir, als ich geäußert habe, du bräuchtest nicht mehr als ein Dutzend Kleider für ein angemessenes Debüt, wenn wir einfach hin und wieder die Schleifchen und dergleichen auswechseln. Er möchte auf keinen Fall für knauserig gehalten werden.“
Regina unterdrückte einen Seufzer. Ihre Mutter verbrachte ihr ganzes Leben in dem Versuch, alles zu vermeiden, was ihren Gatten ärgern könnte. Er schlug sie nie, soviel Regina wusste, wie er auch Regina selbst nie körperlich gezüchtigt hatte. Was sie im Glauben ließ, dass er die gleiche Drohung, mit der er seine Tochter bei der Stange hielt, auch einsetzte, um seine Frau gehorsam, in Angst und Schrecken und ständig auf der Suche nach Trost in ihren Weinflaschen zu halten.
Regina wusste, dass Hass eine Sünde ist, aber sie hegte zumindest eine starke Abneigung gegen ihren Vater – und gegen ihren Großvater, der seine Tochter so gut wie verkauft hatte, um seine Spielschulden bezahlen zu können. Und wahrscheinlich verachtete sie von den beiden ihren Großvater noch mehr. Er entstammte der Oberschicht, war ein Earl und hätte über solchen Dingen stehen müssen. Reginald Hackett war Großmutter Hacketts Sohn. Von ihm war nichts Besseres zu erwarten.
Sie tätschelte ihrer Mutter den Arm. „Wir fahren nach Mentmore, Mama. Dort zählt niemand das Personal. Fellows hat den Auftrag, während unserer Abwesenheit die Grundrenovierung deines wie auch meines Schlafzimmers zu überwachen. Das haben wir so besprochen, hast du das vergessen?“
In Wirklichkeit war Fellows mit der beängstigenden Aufgabe betraut worden, Lady Leticias sorgfältig versteckten Schnapsvorräte samt und sonders aufzuspüren und zu vernichten. Vom Dachboden bis zum Keller. Diese Aufgabe würde Fellows bis zur Rückkehr der Damen auf Trab halten, denn ihre Herrin kannte unzählige Listen und Tricks. Nicht einmal ihre Parfümflakons aus Kristall waren vor ihrem Zugriff sicher.
„Ja“, sagte Lady Leticia traurig. „Ich habe es vergessen. Aber wenn du es weißt, sollte ich es wohl auch wissen. Es wird schön sein, Mentmore wiederzusehen. Dein Vater billigt meinen Besuch dort nicht oft.“
„Und Tante Claire begleitet uns, um dir Gesellschaft zu leisten“, erinnerte Regina sie, als zwei Diener die Doppeltüren öffneten, die hinaus auf den Platz führten, und zwei weitere Diener ihnen große Schirme über die Köpfe hielten, denn der Morgen war grau und überaus nass. Die wappengeschmückte Mentmore-Kutsche stand bereit. „Sieh nur, sie sitzt bereits in der Kutsche, Mama, und winkt uns zu.“
„Claire war schon immer lieb. Sie ist auch verkauft worden, weißt du? Ihr Großvater war Hutmacher an der Queen Street. Ziemlich wohlhabend, und er soll sehr vornehme Hüte hergestellt haben. Ich habe nie einen gesehen, aber sie müssen wirklich exquisit gewesen sein. Jedenfalls gut genug, um ihrem Vater einen Viscount einzubringen. Pech, dass es Seth war. Mit solchen Hüten hätte ihr Vater etwas Besseres kaufen können.“
„Mama, sei leise“, sagte Regina, obwohl die Dienstboten unweigerlich längst alles gehört hatten. „Ah, und da kommt Hanks mit deinem Reisekoffer. Und jetzt steig ein, Mama, dann brechen wir auf.“
Sie übergab ihre Mutter dem Diener, der ihr weiterhin den Schirm über den Kopf hielt, und nahm sich einen Moment Zeit, um den Blick verstohlen über den Platz wandern zu lassen. Sie waren im Begriff, in die Familienkutsche zu steigen und sich nach Mentmore fahren zu lassen. Ja, so lautete der Plan, wie Puck ihn ihr am Vortag unterbreitet hatte, und trotzdem hatte sie gehofft, ihn irgendwo hier zu sehen, um sicher sein zu können, dass er aus seinen Grundzügen einen detaillierteren Plan hatte entwickeln können.
Schließlich hob sie den Blick zu dem auf dem Kutschendach festgeschnallten und mit Segeltuch abgedeckten Gepäck und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag aus vollem Herzen.
Robin Goodfellow Blackthorn, das lange blonde Haar offen unter seinem tropfnassen Schlapphut, durch den Kutschermantel mit dem Wappen von Mentmore auf dem Rücken vor dem Regen geschützt, saß auf dem Kutschbock, neigte den Kopf in Reginas Richtung und zwinkerte ihr zu.
Puck, erfrischt von seinem Bad, nachdem er von dem morgendlichen Wolkenbruch gehörig durchnässt worden war, und wieder im gewohnten modisch geschnittenen Anzug, das Haar im Nacken
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